Collaborative Law – Definition, Vor- & Nachteile, Anwendungsbereiche
- Redaktion Anwaltfinden.at

Es gibt in Österreich eine Möglichkeit einen zivilrechtlichen Streit beizulegen, ohne jemals einen Gerichtssaal betreten zu haben. Das Collaborative Law macht es möglich. In diesem Beitrag erfahren Sie, was das Collaborative Law ist, wie es funktioniert und welche Vor- bzw. Nachteile es für die Beteiligten hat. Schließlich erfahren Sie in welchen Fallkonstellationen sich eine Einigung durch Collaborative Law zielführend und zweckdienlich sein kann.
Inhaltsverzeichnis
- Collaborative Law ist eine Möglichkeit der außergerichtlichen, einvernehmlichen Einigung
- Parteien sind die Streitenden mit jeweils einem Anwalt
- Teilweise sind auch Fachpersonen Teil des Verfahrens (Gutachter, Sachverständige etc.)
- Ziel ist es, einen Kompromiss bzw. eine Einigung zu finden, die für alle Beteiligten tragbar ist
- Sollte das Collaborative Law Verfahren scheitern, steht der Rechtsweg weiter offen – andererseits ist eine Einigung bindend
Was ist Collaborative Law?
Collaborative Law (Abkürzung: CL) ist für viele Menschen, die nicht regelmäßig mit dem Recht in Berührung kommen ein Fremdwort. Was im Englischen hochtrabend klingt, heißt auf Deutsch schlicht „kooperierendes Anwaltsverfahren“. Und genau das ist es: eine außergerichtliche Einigung zwischen zwei Parteien, die einen rechtliche relevanten Sachverhalt mit der Unterstützung von zwei Anwälten aufarbeiten.
Collaborative Law findet also immer dann statt, wenn bei Streitigkeiten (zivilrechtlich) kein Gericht bemüht wird, sondern der Streit außergerichtlich gelöst werden soll. Damit ein Collaborative Law Verfahren stattfinden kann, müssen sich die Parteien einen Anwalt suchen, der bereit ist, einem solchen Verfahren beizuwohnen. Meist haben diese Anwälte eine spezielle Zusatzausbildung bzw. Fortbildung genossen. In der einfachsten Konstellation sind also vier Personen Teil des Collaborative Law Verfahrens:
- Partei 1
- Anwalt von Partei 1
- Partei 2
- Anwalt von Partei 2
Je nach Sachverhalt und Komplexität kann es sein, dass gewisse Experten – wie zum Beispiel Gutachter oder Sachverständige – hinzutreten. Das Besondere beim Collaborative Law ist, dass die Parteien selbst die Regeln, die für den Streit gelten sollen, aufstellen. Ein gewisser Wille die Streitigkeit beilegen zu wollen, ist erforderlich.
Wie kommt es zum Collaborative Law Verfahren?
Im Normalfall wenden sich Personen, die eine zivilrechtliche Angelegenheit nicht selbst einigen können, an das zuständige Gericht. Dort entscheidet dann ein unabhängiger Dritter – nämlich der Richter – über den Sachverhalt und die Rechtslage. Es gibt also einen „Gewinner“ und einen „Verlierer“ im Prozess. Das ist im Collaborative Law anders: dort gibt es keinen Dritten, sondern die Parteien lassen sich auf ein Streitgespräch ein und werden dabei anwaltlich vertreten. Das Verfahren liegt dabei stets in der Hand der Streitparteien und ist darauf angewiesen, dass es ein Mindestmaß an Einigungsbereitschaft gibt.
Das Collaborative Law Verfahren ist also solches in der Rechtspraxis Österreichs zwar anerkannt, jedoch nicht zwingend im Gesetz verankert. Das bedeutet, dass Sie nicht gezwungen werden können, an einem solchen Verfahren teilzunehmen. Umgekehrt können Sie niemand dazu zwingen, sich auf Collaborative Law einzulassen. Das Verfahren wird in der Regel dadurch angestoßen, dass sich die Parteien darüber einigen, dass eine Lösung im Sinne des Collaborative Law angestrebt werden soll.
Wie funktioniert Collaborative Law?
Sobald sich die Parteien auf eine Schlichtung durch Collaborative Law geeinigt haben, kann das Verfahren beginnen. Alle Beteiligten werden durch speziell geschulte Anwälte unterstützt, die die Rechtslage korrekt einordnen und ihre Mandanten beraten – ähnlich wie bei einem Gerichtsverfahren. Neben den Anwälten kann es – wie bereits festgestellt – sinnvoll sein, dass Fachpersonen hinzugezogen werden. Diese Experten helfen dann neutral den Streitgegenstand zu bewerten und die Parteien über mögliche Folgen und ähnliches aufzuklären. Zum Beispiel:
- Bei einer Wirtschaftsstreitigkeit kann ein Finanzexperte oder Steuerberater eingesetzt werden, um die wirtschaftlichen Folgen einer Einigung einzuordnen.
- Bei einer Scheidung durch Collaborative Law kann ein Seelsorger teilnehmen, um die Parteien emotional zu unterstütze.
Damit Collaborative Law Erfolg haben kann, wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Die Verhandlung findet also nicht zwangsläufig in einem Gerichtsaal statt. Wie das Verfahren im Einzelnen abläuft, liegt zu jederzeit in den Händen der Parteien. Ebenso sind das Ergebnis bzw. die Einigung das Resultat der persönlichen Entscheidungen der Beteiligten. Es gibt keinen „Richter“, der zum Ende ein Urteil spricht, welches die Streitenden für sich gelten lassen müssen.
Sobald eine Einigung gefunden wurde, wird diese fixiert und ist anschließend für die Beteiligten bindend. Sollte keine einvernehmliche Einigung gefunden werden können, so steht den Personen weiterhin der Rechtsweg über ein normales Gericht offen. Es gibt also kein rechtserhebliches Risiko durch Collaborative Law.
Einschätzung von Chancen & Risiken des Collaborative Law
Das Collaborative Law Verfahren ist mittlerweile in der Rechtspraxis etabliert und eine attraktive Möglichkeit Rechtsstreitigkeiten beizulegen, ohne vor Gericht ziehen zu müssen. Durch den Versuch eine einvernehmliche Einigung zu finden, ergeben sich für alle Beteiligten gewisse Vor- und Nachteile. In den meisten Fällen überwiegen die Vorteile deutlich. Trotzdem ist es ratsam, die Chancen und Risiken des Collaborative Law zu betrachtenVorteile Collaborative Law
Ein entscheidender Vorteil von Collaborative Law ist, dass die Kosten hier häufig geringer sind. Es werden keine Gerichtsgebühren fällig und die entstehenden Auslagen sind besser planbar. In einem Gerichtsverfahren kann beispielsweise der Richter einseitig einen Gutachter hinzuziehen, der anschließend zwingend von der „Verlierer“-Partei gezahlt werden muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Verfahren häufig schneller abgeschlossen werden kann. In Österreich kann – je nach Streitgegenstand und Umfang – einiges an Zeit verstreichen, bis ein Gerichtstermin festgelegt wird. Collaborative Law ist in der Terminierung flexibler und es kann sich jederzeit geeinigt werden. Wie lange das Verfahren am Ende dauert, kann trotzdem nicht pauschal vorhergesagt werden.
Das größte Plus bei Collaborative Law ist, dass es sich nicht um ein konfrontatives Verfahren handelt. Wenn Sie mit einem Streit vor Gericht ziehen, dann gibt es stets einen „Gewinner“, der Recht bekommt und einen „Verlierer“, der im Unrecht ist. Die Spaltung zwischen den Parteien ist nach einem Urteil häufig noch tiefer, als sie es vorher gewesen ist. Beim Collaborative Law geht es darum, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten tragbar ist. Diese gemeinsame Lösung kann der Grundstein für eine nachhaltige Streitbeilegung sein.
Nachteile Collaborative Law
Was eigentlich ein Vorteil ist, kann von manchen Menschen als Nachteil ausgelegt werden. Wenn eine Partei unbedingt „Recht“ bekommen möchte, dann ist das Collaborative Law wenig erfolgreich. Dass es keine endgültige Entscheidung gibt, die durch eine dritte, unabhängige Person gefällt wird, ist ein Nachteil für „Streithähne“, die unbedingt recht haben wollen. Das bedeutet, dass man bei einer Lösung durch Collaborative Law bereit sein muss, Kompromisse einzugehen. Ist diese Bereitschaft nicht vorhanden, verläuft das Verfahren ergebnislos und endet schließlich doch vor einem Gericht. Es gibt keine Garantie für eine einvernehmliche Einigung.
Anwendungsbereiche des Collaborative Law
Das Collaborative Law ist vor allem für die Personen, die auch zukünftig noch miteinander arbeiten möchten / müssen eine Chance. Die Fronten verhärten sich nicht – wie es beispielsweise bei einem Gerichtsverfahren häufig der Fall ist. Es muss gemeinsam auf eine Lösung hingearbeitet werden, die Grundstein dafür sein kann, dass man auch in Zukunft noch mit der anderen Partei arbeiten / verkehren kann. Collaborative Law Verfahren sind grundsätzlich sowohl zwischen Firmen, als auch zwischen Privatpersonen möglich.