Rechtsanwältin für Medizinrecht in 1090 Wien
Aufklärungsverpflichtung des Arztes - Das sollten Sie wissen
Bei medizinischen Haftungsfällen wird oft seitens der Mediziner vorgebracht, dass es sich bei der Komplikation um ein schicksalhaftes Ereignis handelt. Dies kann auch durchaus wirklich der Fall sein. Sehen Sie hierzu meinen Artikel: Die ersten rechtlichen Schritte im Falle eines medizinischen Behandlungsfehlers
Denn einer Komplikation muss eben nicht zwingend einer medizinischen Fehlbehandlung zugrunde liegen. Es stellt sich schließlich die Frage, ob die Aufklärung richtig und vollständig war.
Wurde der Patient in die Lage versetzt, das Risiko des jeweiligen Eingriffs richtig einzuschätzen? Bekam der Patient bei alternativ in Frage kommenden Methoden die Möglichkeit diese miteinander zu vergleichen? Bei der Aufklärung sind die Vor- und Nachteile, Risiken, Schmerzbelastungen und Erfolgsaussichten des jeweiligen Eingriffs gegeneinander abzuwägen. Auch über allfällig neue Behandlungsmethoden (dies dann um so genauer) ist der Patient aufzuklären. Unabhängig von der Ausfolgung von Informationsblättern an den Patienten betreffend des Eingriffs, hat das persönliche Arzt- und Patientengespräch das Schwergewicht der Aufklärung darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
Wie viel Aufklärung ist nötig?
Das genaue Ausmaß der jeweiligen Aufklärung hängt vom Einzelfall ab. Aufzuklären ist jedenfalls über typische Risiken, welche mit dem Eingriff verbunden sind. Typische Risiken sind solche, die sich auch bei Durchführung des Eingriffs lege artis verwirklichen können und die so gravierend sind, dass sie die Entscheidung des Patienten beeinflussen können. Im Einzelfall kann eine Aufklärung über Komplikationen allenfalls reduziert werden, wenn der Arzt aufgrund der beruflichen Ausbildung des Patienten oder dessen Krankenvorgeschichte annehmen darf, dass dem Patienten die Komplikationen ausreichend bekannt sind.
Hierbei ist jedoch für den Arzt Vorsicht geboten! Zweifel über Vorkenntnisse des Patienten sprechen daher dafür, auch in diesen Fällen den Patienten umfassend aufzuklären. Besonders umfassend ist jedenfalls bei nicht dringlichen Behandlungen aufzuklären. Die Aufklärung muss den Patienten in die Lage versetzen, selbstbestimmt entscheiden zu können, ob ein Eingriff vorgenommen wird oder nicht. Grundsätzlich ist jeder ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität eines Patienten rechtswidrig, soweit nicht eine wirksame Einwilligung des Patienten vorliegt. Bei unzureichender Aufklärungspflicht drohen dem Arzt daher auch strafrechtliche Konsequenzen.
Auch bezüglich seltener Risiken kann eine Aufklärungsverpflichtung bestehen, wenn diese geeignet sind, dass ein vernünftiger Patient diese in seine Für und Wider Entscheidung einbezieht. Auf den Umfang der Aufklärungspflicht sind dann besonders strenge Anforderungen gestellt, wenn der Eingriff nicht der Heilung, sondern der Diagnose dient (z.B. Biopsie) oder rein kosmetischer Natur ist.
Immer wieder kommt es vor, dass eine Aufklärung deshalb reduziert wird, um dem Patientenwohl zu schaden – sogenanntes Therapeutisches Privileg (therapeutischer Vorbehalt). Dies könnte in etwa der Fall sein, wenn die Aufklärung den besonders labilen Patienten derartig schockieren könnte, dass dieser sich zum Suizid veranlasst sieht. Auch hier hat der Arzt jedoch, will sich dieser nicht einer Haftungsgefahr aussetzen, sehr umsichtig zu agieren. Einem Patienten, der auf die Mitteilung der Diagnose und der Risiken einer Behandlung besteht, muss die Wahrheit gesagt werden.
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Die Aufklärungsverpflichtung darf aber auch nicht überspannt werden.
Insbesondere bei kaum risikobehafteten Eingriffen und bei alternativlosen Eingriffen ist ein weniger strenger Maßstab an die Aufklärung anzulegen. Überdies hinaus hat der Arzt sich im persönlichen Gespräch ein Bild über den Informationsstand des Patienten zu machen. Es reicht nicht aus, wenn die Aufklärung von einer Assistentin des Arztes vorgenommen wird.
Sagt der Arzt in etwa dem Patienten, dieser habe sich dringend zur Abwehr drohender Gesundheitsschäden in ein Krankenhaus zu begeben und begibt sich der Patient aber dann trotzdem nicht ins Krankenhaus, so trifft den Arzt kein Verschulden an Komplikationen, welcher der Patient mangels Krankenhausbesuchs erleidet.
So auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall Geschäftszahl 9 Ob 64/08i. In diesem Fall ging es um eine Schwangere, welche an Bluthochdruck litt, Schwellungen im Gesicht aufwies, und deren Eiweißausscheidung im Harn wesentlich überhöhte Werte aufzeigte. Der Gynäkologe stellte ihr eine Krankenhauseinweisung mit der Diagnose „drohende Eklampsie“ aus und erklärte ihr ausdrücklich, dass es aufgrund der Werte zu Krämpfen und Blutungen kommen und auch das Kind betroffen sein könne.
Die Schwangere ging jedoch nicht ins Krankenhaus, sondern suchte am selben Tag abermals die Ordination des Arztes auf. Der Arzt empfahl dieser wiederum das Krankenhaus. Wieder machte die Frau das jedoch nicht. Erst in der Nacht als sich die Symptome weiter verschlechterten, ließ sich die Frau ins Krankenhaus bringen. Dort wurde bei der Frau ein sogenanntes „Hellp Syndrom“ diagnostiziert. Es wurde eine Hirnmassenblutung festgestellt. Nach einem Notfallkaiserschnitt wurde der Schädelknochen geöffnet und ein Hämatom entleert. Die Frau leidet nach wie vor an einer beinbetonten Halbseitensymptomatik mit Gefühlsminderung der linken unteren Extremität und einer Gesichtsfeldeinschränkung.
Der Oberste Gerichtshof verneinte in diesem Fall eine Aufklärungsverletzung des Arztes. Denn die vom Gynäkologen erteilte Aufklärung („Blutungen, Krämpfe, Folgen für das Kind bei Nichtbefolgung der Krankenhauseinweisung“) sei aus der Sicht eines durchschnittlich sorgfältigen Patienten ausreichend, um die Notwendigkeit einer raschen Spitalsbehandlung zu erkennen. Die Patientin trifft die Eigenverantwortung für ihre Entscheidung sich an den Rat des Arztes nicht gehalten zu haben. Ihre Schadenersatzansprüche wurden daher bei Gericht letztlich abgewiesen.
Zwischen Aufklärung und dem Eingriff selbst muss für den Patienten eine ausreichende Überlegungszeit liegen!
Wobei es betreffend Länge der Überlegungszeit keine einheitlichen Vorgaben gibt. Die Rechtzeitigkeit der Aufklärung hängt von der Indikation, Schwere und Dringlichkeit der Operation ab. Lediglich bei ästhetischen Operationen ist die Überlegungszeit mit zwei Wochen gesetzlich geregelt. Je schwerwiegender die Operation ist, desto länger muss die Bedenkzeit sein. Je medizinisch indizierter die Operation, desto kürzer darf die Bedenkzeit sein.
Zu kurz ist die Bedenkzeit in etwa, wenn die Aufklärung über die Gefahr einer Narkose stattfindet, wenn schon alle Vorbereitungen für die Narkose getroffen sind und der Narkosearzt bereitsteht (7 Ob 15/04p). Ist die Bedenkzeit zur kurz, haftet der Arzt auch für die Folgen einer kunstgerecht (lege artis) durchgeführten Operation. Als Faustregel gilt bei nicht gegebener Dringlichkeit eine Überlegungszeit von zumindest einem Tag.
Bei mangelhafter Aufklärung kommt eine Haftung des Arztes auch bei fachgerechter Behandlung in Frage!
Ferner trifft den Arzt unzureichender Aufklärung die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte (Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes). Der Patient hat jedoch sein Vorbringen, dass er bei ausreichender Aufklärung nicht der Behandlung zugestimmt hätte, jedoch ausreichend nachvollziehbar zu argumentieren.
Der OGH begründet diese Beweislastverteilung zu Lasten des Arztes damit, dass dem Arzt Mittel und Sachkunde zum Nachweis der fehlenden Kausalität viel eher zur Verfügung stünden, als dem Patienten. Bei unzureichender Aufklärung können dem Patienten Schadenersatzansprüche zustehen.
Für den Arzt empfiehlt es sich jedenfalls den hohen Standard der Aufklärungsverpflichtung unbedingt einzuhalten und diese gut zu dokumentieren.