Wohnen Sie als Wohnungseigentümer in einer neu errichteten, bzw. sich teilweise weiterhin im Bau befindlichen Wohnanlage und stöhnen Sie über eine hohe und undurchsichtige Jahresabrechnung durch die Hausverwaltung?
Vielleicht ist diese ja inhaltlich unrichtig und wurden beispielsweise folgende Grundsätze der Rechtsprechung seitens der Hausverwaltung übersehen, denn es müssen grundsätzlich auch (noch) nicht existente Wohnungseigentumsobjekte in den Aufteilungsschlüssel miteinbezogen werden.
„Mag eine im Grundbuch eingetragene Einheit in der Realität (noch) nicht existieren, ist sie aber nach wie vor rechtlich existent. Konsequenz dieser rechtlichen Existenz ist die Verpflichtung als Mit- und Wohnungseigentümer, entsprechend den im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteilen zu den Aufwendungen an der Liegenschaft beizutragen (vgl OGH 3 Ob 252/98z; OGH 5 Ob 110/08z; mwN).“
„Dem Verwalter steht es nicht zu, aus Gründen vermeintlicher Verteilungsgerechtigkeit einseitig vom gesetzlichen (oder aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bzw aufgrund rechtskräftigen Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 32 Abs 5 oder 6 WEG abweichenden) Verteilungsschlüssel abzugehen, auch dann nicht, wenn hierfür eine Weisung der Mehrheit der Wohnungseigentümer vorläge“ (zitiert nach Kothbauer, immolex 2010, S 332).“
Es gilt daher zu prüfen, ob ein gültiger abweichender Verteilungsschlüssel (der noch nicht errichtete Wohnungseigentumsobjekte ausklammert) vorliegt, ansonsten sind auch jene grundbücherlichen Miteigentümer, deren Wohnung rechtlich existent, jedoch faktisch noch nicht fertiggestellt ist, zur Tragung der Betriebskosten der allgemeinen Flächen und sonstigen Aufwendungen der Liegenschaft verpflichtet (zB Grundsteuer etc). Beispiel: Strom- und Reinigungskosten der allgemeinen Flächen tragen auch diese Miteigentümer, auch wenn sie noch nicht in der Wohnanlage wohnen.
In der Praxis kann diese Verpflichtung aber auch den Bauträger (= Errichter der Wohnhausanlage) als (Noch-)Miteigentümer selbst betreffen, welcher noch nicht alle Wohnungen verkauft hat und daher selbst noch im Grundbuch steht. Ein Bauträger wird von der von ihm in der Praxis erstmals eingesetzten Hausverwaltung nicht selten „wohlwollend bei der Berechnung des Aufteilungsschlüssels“ behandelt, und entstammt auch der Wohnungseigentumsvertrag in aller Regel seiner Feder.
Die vorherigen Grundsätze betreffen natürlich auch die Verpflichtung zur Zahlung der Rücklage: Vor allem dem gutgläubig zahlenden Teil der Eigentümer(-gemeinschaft) kann in diesem Zusammenhang durchaus ein großer Schaden entstehen, gerade dann, wenn die Rücklage aufgrund unterbliebener oder falsch bemessener Vorschreibungen unterdotiert ist und plötzlicher Sanierungsbedarf an allgemeinen Flächen auftritt.
Manche „Sondervorschreibung“ wäre vermeidbar gewesen, wenn von Anfang an ein richtiger Aufteilungsschlüssel verwendet worden wäre.
Die finanziellen Folgen können für Sie persönlich und die Eigentümergemeinschaft gerade bei jahrelang fortlaufenden Fehlern der Hausverwaltung immens sein. Gerade auch anfängliche – unbestrittene – Fehler können sich bei späterem Verwalterwechsel von der alten auf die neue Hausverwaltung fortschleichen. Diese Füttern ihre jeweilige Software immerhin auch nur mit den Eckdaten, welche ihnen unbedenklich, da „jahrelang“ unbestritten erscheinen.
Wie jedes größere Unternehmen bei seiner Bilanzerrichtung alljährlich einen Wirtschaftsprüfer braucht, so ist gerade auch dem Verwalter im Rahmen der gelegten Jahresabrechnung „von außen“ genau auf die Finger zu schauen, bevor einem als kostenstrapazierter Wohnungseigentümer Bares buchstäblich unbemerkt durch die Finger geht.
In jedem Fall gilt es, den – wohl im Auftrag des Bauträgers – errichteten Wohnungseigentumsvertrag und die dortigen Grundsätze der Aufteilung genau zu prüfen. Gibt es hier einen von der Gesetzeslage „abweichenden Verteilungsschlüssel“? Sofern sogenannte „Verrechnungskreise“ gebildet werden (zB, „Wohnhausanlage A“, „Tiefgarage“, etc.) sind die dort maßgeblichen Aufteilungsschlüssel anhand des Parifizierungs- bzw Nutzwertgutachtens zu überprüfen. Was gilt als allgemeine Verkehrsfläche, was ist Wohnungseigentum, wie verhalten sich die jeweiligen Eigentumsanteile bzw. Nutzwerte zueinander.
Grundsätzlich besteht naturgemäß auch das Recht auf Belegeinsicht, um die sachliche Rechtfertigung und Höhe diverser Rechnungen zu überprüfen.
Zweck der Rechnungslegung nach § 20 Abs 3 WEG ist laut Rechtsprechung und Lehre, „dem Berechtigten die Grundlagen für die Beurteilung seiner Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber dem Abrechnungspflichtigen zu verschaffen und Aufschluss über die Erfüllung der Verpflichtung zur emsigen und redlichen Geschäftsbesorgung, insbesondere im Hinblick auf die Kriterien der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, zu geben. Beitragsrückstände sind in eine solche Abrechnung aufzunehmen, weil ein Interesse der Wohnungseigentümer an der ordnungsgemäßen Beitragsleistung der anderen Miteigentümer besteht.“
Sollte der Bauträger nicht mehr Mehrheitseigentümer der Gesamtliegenschaft sein, wäre zudem die Möglichkeit zu prüfen, eine gegebenenfalls anfänglich bewusst in seinem Sinne verfasste Regelung zum Aufteilungsschlüssel durch entsprechenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu ändern.
Sollte sich die Hausverwaltung geändert haben, bestehen die genannten Rechte weiterhin: Gemäß OGH Rechtsprechung bleibt nämlich der „Verwalter auch nach Verwaltungsende verantwortlich dafür, die Verpflichtungen iSd § 20 Abs 2 bis 7 WEG, die schon im Zeitpunkt der Beendigung der Verwaltung bestanden haben, zu erfüllen, sodass diese auch trotz Beendigung der Verwaltung von den Wohnungseigentümern noch eingefordert werden können (5 Ob 32/14 p).“
Die Geltendmachung einer Überprüfung der Jahresabrechnung durch die Gerichte mitsamt Antrag auf (bis dahin durch die Hausverwaltung verwehrte Belegeinsicht), welche Antragstellung insgesamt die gerichtliche Feststellung der Unrichtigkeit der Jahresabrechnung und deren ordnungsmäßige Korrektur zum Ziel hat (bis hin zur Feststellung von Gutschriften), erfolgt in einem speziellen Außerstreitverfahren (§ 20 Abs 3 sowie § 34 Abs 3 iVm § 52 WEG).
Aus § 34 WEG ergeben sich die Fristen, die es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt:
Die Abrechnungsfrist der Hausverwaltung beträgt 6 Monate nach Ablauf der Abrechnungsperiode, welche dem Kalenderjahr entspricht: Die Jahresabrechnung 2022 hat daher bis zum 30.06.2023 zu erfolgen.
Letzteres Datum ist entscheidend für die dreijährige Frist zur Antragstellung auf gerichtliche Überprüfung. Dies bedeutet, dass die Jahresabrechnung 2022 bis zum 30.06.2023 gelegt werden muss, und diese Ihrerseits bis Ablauf des 30.06.2026 per Antrag einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden kann.
Rückwirkend betrachtet gilt daher aus heutiger Sicht (März 2023): Bis 30.06.2023 können Sie noch die Jahresabrechnung 2019 (und natürlich jene der Folgejahre) gerichtlich überprüfen lassen.
Praxistipp: Vertrauen Sie daher nicht blind auf die Richtigkeit der Jahresabrechnung, gerade dann, wenn es sich um eine komplexe oder gar mehrere Wohnhausanlagen handelt, welche neu errichtet wurde(n) – und diese zudem auf einer einzigen Liegenschaft steht bzw. stehen (= einer Einlagezahl im Grundbuch).
Der mithilfe eines Fachanwalts formulierte, begründete Einspruch gegen eine Jahresabrechnung kann außergerichtlich eine Korrektur und rückwirkende Aufrollung der Jahresabrechnung nicht nur zu Ihren Gunsten, sondern sämtlicher Wohnungseigentümer erwirken und gegebenenfalls ein – bei Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Jahresabrechnung jedenfalls anzuratendes – gerichtliches Überprüfungsverfahren unter Umständen bereits im Vorfeld vermeiden.
Gerade dann, wenn die geltend gemachten Antragspunkte richtig formuliert werden und die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Jahresabrechnung(en) beweisbar ist, sollte sogar ein Kostenersatz für die eigenen Anwaltskosten auf Antrag im Außerstreitverfahren durchaus realistisch sein (Anm.: Kostenersatz betreffend die Verfahrenskosten gibt es im Außerstreitverfahren grundsätzlich nur auf Antrag, anders als im streitigen Zivilverfahren). Wenn sich mehrere Wohnungseigentümer zusammenschließen, können die Kosten einer anwaltlichen Vertretung auch leicht finanziert werden, bzw. hält sich ein allfälliges Prozessrisiko in Grenzen.
Jedenfalls ist die Bedeutung einer fortlaufenden richtigen Abrechnung und Vorschreibung durch die Hausverwaltung wichtiger und spart auf lange Sicht Kosten. Daher bitte ja kein blindes Vertrauen in Jahresabrechnungen!