Bei Scheidungen geht es ganz oft um Intimitäten. Parteien sind da mitunter gefordert Dinge bei Gericht zu erzählen, welche sie bis dato nicht dem besten Freund anvertrauen wollten. Die Richter schlüpfen unter die Bettdecke des Ehepaares. Da kann es schon passieren, dass der Mann bei Gericht gefordert wird zu demonstrieren wie denn nun das Begrüßungsbussi mit seiner Bekannten genau ausschaute.
Mit der Sexualität beschäftigen sich auch die Familiengerichte anderer Länder. Aktuell sorgt in Frankreich ein Urteil zu dem Thema Sex bzw. Nichtsex in der Ehe in Urteil für Aufsehen. Denn eine 66-jährige Französin war schuldig geschieden worden. Dies weil sie dem Mann den Sex verweigert habe. Das Urteil ist mittlerweile höchstgerichtlich bestätigt. Dass die Verweigerung von Sex einen Verschuldensgrund darstellen kann, dies auch in Österreich, wäre als solches nicht bemerkenswert. Voraussetzung ist aber, dass der Sex grundlos verweigert wurde. Die Französin dürfte aber für die Josefsehe wiederholte Gewalt des Mannes und gesundheitliche Gründe angeführt haben und dürfte diese Begründung der Frau den französischen Gerichten für deren Exkulpierung jedoch nicht gereicht haben.
Wie ist das nun mit dem Nichtsex und dem Verschulden?
Österreich kennt ebenfalls (als eines der wenigen Länder in Europa) noch die Verschuldensscheidung. Mit dem alleinigen oder überwiegenden Verschuldensausspruch an einer Scheidung sind unterhaltsrechtsrechtliche Folgen verbunden. Der Sex (im Juristenjargon die geschlechtliche – sexuelle- Gemeinschaft genannt) findet zwar als solches im Gesetz keine Erwähnung, ist aber von der sogenannten im Gesetz angeführten umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 90 ABGB) mitumfasst. Daher der Sex gehört grundsätzlich zu einer Ehe dazu. Es gibt jedoch natürlich Gründe, in welcher die Enthaltsamkeit kein Verschulden darstellt, dies in etwa bei Vorliegen einer Erkrankung, eine gewisse Zeitspanne nach der Geburt, nach einem Unfall, oder wenn der andere Partner respektlos ist oder fremdgeht. Immer wieder kommt es auch vor, dass jemand berechtigt deshalb die Lust verliert, weil sich der Partner nicht mehr pflegt und sich gehen lässt.
Ein Mann, der seine Frau herabwürdigt, diese in etwa als hässlich beschimpft, kann dieser dann nicht ihr sexuelles Desinteresse vorwerfen. Empfindet jemand Sex generell als Last, kann die Ablehnung der Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe ein schuldhaftes Verhalten darstellen. Ebenso stellt das Aussperren des Ehepartners aus dem Schlafzimmer ein Verschulden dar. Selbst mit der Thematik Hunde im Bett, dies gegen den Willen des Partners, mussten sich die Gerichte schon beschäftigen (Gz 1 Ob 67/06v) und stellten fest, dass dieses ein No Go ist. Auf die Bedürfnisse des anderen ist, so der Oberste Gerichtshof, in einer Ehe Rücksicht zu nehmen. Die grundlose Verweigerung des Sexuallebens ist dem Partner nicht zumutbar.
Der Oberste Gerichtshof erkannte hierzu (GZ 2 Ob 511/90) in einem Fall einer Frau, welche im Zuge ihrer religiösen Besinnung sexuell enthaltsam leben wollte, dass „es hieße den Mann zu überfordern, würde man ihm die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Ausschluss der Geschlechtsgemeinschaft aufzwingen.“ Bei der Beurteilung ob ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, kommt es immer auf eine Gesamtbetrachtung des Falles an. So könnte auch die Verknüpfung des ehelichen Sex an Gegenleistungen als Lieblosigkeit gewürdigt werden. Das Bestehen auf Sex, obwohl der andere krank ist, ist aber natürlich ebenso schuldhaft.
Damit die auferzwungene Enthaltsamkeit ein schuldhaftes Verhalten darstellt, ist es Voraussetzung, dass der Sex, trotz Aufforderung, verweigert wird.
Der Nichtsex ist jedoch wohl meist schwerer als ein Fremdgehen nachzuweisen. Denn oft ist es ein schleichender Prozess. Dies in etwa wenn ein Paar getrennt schläft weil einer schnarcht; zunächst versucht noch ein Partner den anderen zu Sex zu motivieren, doch dann nach etlichen peinvollen Versuchen gibt dieser gekränkt auf.
Kaum jemand führt wohl in der Ehe ein Sextagebuch, in dem festgehalten wird, dass trotz Bitte nach Sex dieser nicht stattfand. Zudem unterscheiden sich viele Paare auch in ihren sexuellen Bedürfnissen. In der Praxis ist es oft so, dass mit den Ehejahren die Häufigkeit der sexuellen Begegnung stark abnimmt. Dies meist zur großen Unzufriedenheit eines Partners. Dann stellt sich die Frage wann in der Reduktion des Beischlafs ein liebloses Verhalten zu erblicken ist und ist dies mit dem Recht auf Selbstbestimmung des geschlechtlichen Bereichs in Abwägung zu bringen. Rechtlich unklar auch was unter der in der Entscheidung zu Gz 2 Ob 511/90 vom Gericht betreffend der Sexfrequenz angeführten „normalen Aktivität“ zu verstehen ist.
Erschwert ist eine Scheidung, wenn bereits vor der Ehe, dies z.B. in Folge einer psychischen Erkrankung des Partners bekannt war, dass dieser keinen Sex möchte. Der OGH erkannte bereits (Gz 7Ob 92/13z) dass diesfalls eine Nichtigerklärung der Ehe wegen Nichtvollzug nicht in Betracht kommt.
In der Praxis machen in sexkargen Ehen viele den Fehler sich diesen anderweitig zu holen. Kommt der Partner auf den außerehelichen Sex darauf, ist dieser meist sehr gekränkt. Dies auch dann, wenn er es war welcher den Sex nicht mehr wollte. Mag zwar der Argumentation, dass durch die auferzwungene Enthaltsamkeit der außereheliche Sex nicht vorwerfbar sei, durchaus etwas abzugewinnen sein, so ist fraglich, ob dies das jeweilige Gericht auch so sieht. Zur Vermeidung nachteiliger rechtlicher Folgen ist es dem wider unfreiwillig enthaltsam lebenden Ehepartner zu empfehlen die Scheidungsklage einzureichen. Alternativ dazu käme zur Absicherung vor nachteiligen Rechtsfolgen eine verbindliche Regelung mittels Trennungsvereinbarung in Frage. Denn grundsätzlich liegt die Gestaltung der Ehe und so auch die Treue und der sexuellen Begegnung der freien Gestaltung des Ehepaares. Man muss sich darüber nur einig sein und sollte dies auch festhalten.