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Was ist eine Bürgerenergiegemeinschaft? Was ist eine Erneuerbare-Energie- Gemeinschaft? Was sind die Unterschiede?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein Megatrend, der durch den Ukraine-Krieg und die unsichere Gasversorgung beschleunigt wurde. Die hohen Strompreise machen Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) immer attraktiver, v.a. wenn Einwohner von lokal produziertem Strom, der unter dem Marktpreis verkauft wird, profitieren können. Der nachstehende Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen und Unterschiede von Bürgerenergiegemeinschaften und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften. Diese sollten bereits bei der Konzeption von Windparks und Photovoltaikanlagen bedacht werden.

Die Regelungen zu Bürgerenergiegemeinschaften und zu Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften sind zugegebenermaßen „sperrig“. Zahlreiche Detailfragen müssen in der Praxis erst geklärt werden. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft gegenüber einer Bürgerenergiegemeinschaft regulatorische und finanzielle Vorteile, jedoch auch engere Voraussetzungen hat. Der folgende Blogbeitrag soll dazu dienen, ein Grundverständnis zu schaffen und interessante Möglichkeiten aufzuzeigen.

Die Bürgerenergiegemeinschaft. Gemäß § 16b des Elektrizitätswirtschafts- und – organisationsgesetzes 2010 (kurz „ElWOG 2010“) darf eine Bürgerenergiegemeinschaft elektrische Energie erzeugen und die eigenerzeugte Energie verbrauchen, speichern oder verkaufen. Weiters darf sie im Bereich der Aggregierung tätig sein und für ihre Mitglieder Energiedienstleistungen, wie etwa Energieeffizienzdienstleistungen oder Ladedienstleistungen für Elektrofahrzeuge, erbringen. Die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Netzbenutzer, insbesondere die freie Lieferantenwahl, bleiben dadurch unberührt.

Mitglieder/Gesellschafter einer Bürgerenergiegemeinschaft. Mitglieder oder Gesellschafter einer Bürgerenergiegemeinschaft dürfen natürliche sowie juristische Personen und Gebietskörperschaften sein. Eine Bürgerenergiegemeinschaft hat aus zwei oder mehreren Mitgliedern oder Gesellschaftern zu bestehen und ist als Verein, Genossenschaft, Personen- oder Kapitalgesellschaft oder eine ähnliche Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit zu organisieren. Ihr Hauptzweck darf nicht im finanziellen Gewinn liegen; dies ist, soweit es sich nicht schon aus der Gesellschaftsform ergibt, in der Satzung festzuhalten. Die Bürgerenergiegemeinschaft hat ihren Mitgliedern oder den Gebieten, in denen sie tätig ist, vorrangig ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile zu bringen. Die Teilnahme an einer Bürgerenergiegemeinschaft ist freiwillig und offen.

Auch die Betreibergesellschaft eines Windparks oder einer Photovoltaikanlage kann Mitglied/Gesellschafter einer Bürgerenergiegemeinschaft sein. Sie darf aber gemäß § 16b Abs. 3 ElWOG 2010 keine Kontrolle (insbesondere keine satzungsändernde Mehrheit) haben, da es sich um ein Elektrizitätsunternehmen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 11 ElWOG 2010 handelt.

Die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft. Für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften gelten die Bestimmungen des § 79 EAG (Erneuerbaren Ausbau-Gesetz). Eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft darf Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen, die eigenerzeugte Energie verbrauchen, speichern oder verkaufen. Weiters darf sie im Bereich der Aggregierung tätig sein und andere Energiedienstleistungen erbringen. Die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Netzbenutzer, insbesondere die freie Lieferantenwahl, bleiben dadurch unberührt.

Mitglieder/Gesellschafter einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft. Mitglieder oder Gesellschafter einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft dürfen natürliche Personen, Gemeinden, Rechtsträger von Behörden in Bezug auf lokale Dienststellen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts oder kleine und mittlere Unternehmen sein. Eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft hat aus zwei oder mehreren Mitgliedern oder Gesellschaftern zu bestehen und ist als Verein, Genossenschaft, Personen- oder Kapitalgesellschaft oder ähnliche Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit zu organisieren. Ihr Hauptzweck darf nicht im finanziellen Gewinn liegen; dies ist, soweit es sich nicht schon aus der Gesellschaftsform ergibt, in der Satzung festzuhalten. Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft hat ihren Mitgliedern oder den Gebieten, in denen sie tätig ist, vorrangig ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile zu bringen. Die Teilnahme an einer Erneuerbare- Energie-Gemeinschaft ist freiwillig und offen, im Fall von Privatunternehmen darf die Teilnahme nicht deren gewerbliche oder berufliche Haupttätigkeit sein.

§ 16c ElWOG 2010 konkretisiert die obige Bestimmung dahingehend, dass Erzeuger, die elektrische Energie in ein Netz im Lokal- oder Regionalbereich abgeben, an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft teilnehmen dürfen, sofern sie nicht von einem Versorger, Lieferanten oder Stromhändler im Sinne des ElWOG 2010 kontrolliert werden. Ob daher die Betreibergesellschaft eines Windparks oder einer Photovoltaikanlage Mitglied/Gesellschafter einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft sein kann, hängt davon ab, ob sie von einem Versorger, Lieferanten oder Stromhändler im Sinne des ElWOG 2010 kontrolliert wird. Sofern dies nicht der Fall ist, kann die Betreibergesellschaft des Windparks oder der Photovoltaikanlage direkt Mitglied/Gesellschafter einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft werden.

Aber auch wenn die Betreibergesellschaft eines Windparks oder einer Photovoltaik-Anlage von einem Versorger, Lieferanten oder Stromhändler kontrolliert wird und daher nicht direkt Mitglied/Gesellschafter einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft werden kann, haben sich in der Praxis vertragliche Lösungen herausgebildet, wie einzelne Windkraft- oder Photovoltaikanlagen einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden können (z.B. Leasing/Pachtvertrag, wobei die Betriebsführung wieder an die Betreibergesellschaft des Windparks ausgelagert wird).

Möglich wäre auch, dass eine Bürgerenergiegemeinschaft, an der die Betreibergesellschaft eines Windparks oder einer Photovoltaikanlage beteiligt ist, Mitglied/Gesellschafter einer Erneuerbare- Energie-Gemeinschaft wird.

Vorteile und Voraussetzungen einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft. Die Vorteile einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft gegenüber einer Bürgerenergiegemeinschaft sind regulatorische und vor allem finanzielle Erleichterungen (nur Ortsnetztarif mit einer Reduktion bis zu 64% des arbeitsbezogenen Netznutzungsentgelts, die Befreiung von der Entrichtung des Erneuerbaren- Förderbetrages und der Elektrizitätsabgabe).

Eine wichtige Voraussetzung einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft ist, dass innerhalb einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft die Verbrauchsanlagen der Mitglieder oder Gesellschafter mit den Erzeugungsanlagen über ein Niederspannungs-Verteilernetz und den Niederspannungsteil der Transformatorstation (Lokalbereich) oder über das Mittelspannungsnetz und die Mittelspannungs- Sammelschiene im Umspannwerk (Regionalbereich) im Konzessionsgebiet eines Netzbetreibers verbunden sein müssen. Die Durchleitung von Energie aus Erzeugungsanlagen oder Speichern zu Verbrauchsanlagen unter Inanspruchnahme der Netzebenen1 bis 4, ausgenommen die Mittelspannungs-Sammelschiene im Umspannwerk, oder durch Netze anderer Netzbetreiber ist unzulässig (§ 16 Abs. 2 ElWOG 2010).

Gerade aus dieser „Lokalität“ (die Nutzer und die Erzeugungsanlagen müssen im Regionalbereich über dieselbe Sammelschiene im selben Umspannwerk verbunden sein) resultiert die Ersparnis beim Netznutzungsentgelt. Diese wesentliche Voraussetzung einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft sollte bereits bei der Konzeption des Windparks bzw. der PV-Anlage und der Erneuerbare-Energie- Gemeinschaft berücksichtigt werden. Netzbenutzer haben binnen 14 Tagen Auskunft darüber zu bekommen, an welchen Teil des Verteilernetzes ihre Verbrauchs- bzw. Erzeugungsanlagen angeschlossen sind.

Sofern die Nutzer und die Erzeugungsanlagen nicht über dieselbe Sammelschiene im selben Umspannwerk verbunden sind und daher diese Voraussetzung für eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft nicht vorliegt, kann immer noch eine Bürgerenergiegemeinschaft gegründet werden, über welche die Mitglieder Strom zu einem vergünstigten Preis beziehen können (jedoch in diesem Fall ohne reduziertes Netznutzungsentgelts sowie ohne Befreiung vom Erneuerbaren-Förderbetrag und der Elektrizitätsabgabe).

Bei Fragen zu Bürgerenergiegemeinschaften und/oder Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften stehe ich gerne zur Verfügung.

Artikel verfasst von Dr. Franz A. Höfer, LL.M.

 

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