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Wie lange müssen Eltern zahlen wenn ihr Kind studiert?

Für viele beginnt im Herbst ein neuer Lebensabschnitt; nämlich jener des Studiums oder des Eingehens eines Ausbildungsverhältnisses. Viele Eltern erkundigen sich nun wie lange sie Kindesunterhalt zu bezahlen haben.

Nachfolgend die Situation im rechtlichen Überblick:

Die Kindesunterhaltsverpflichtung besteht bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes. Wann eine solche vorliegt ist jedoch  an keine starre Altersgrenze gebunden und hängt sehr vom Einzelfall an. Im Fall eines Studiums ( abhängig von der Art des Studiums)  liegt diese durchschnittlich im Alter zwischen 25 und 28 Jahren vor.

Durch die erfolgreiche Ablegung der Reifeprüfung ist die benötigte Fähigkeit für ein Studium dargelegt. Schlechte Schulnoten, ebenso wie Klassenwiederholungen, sind nicht von Relevanz. Auch Berufs und Einkommensaussichten, welche mit dem jeweiligen Studium in Zusammenhang stehen, stellen unterhaltsrechtlich kein Kriterium dar. Scheitert ein Maturant bei der Aufnahmeprüfung zu einem Studium, so sind  ihm durchaus eine zweite Chance im darauf folgenden Jahr, wenn nicht sogar mehrmalige neue Versuche zu zu gestehen. Für die Überbrückung kann vom Unterhaltsberechtigten jedoch der Beginn eines Studiums verlangt werden, welches Vorteile für das ursprünglich gewünschte Studium bringt.

Voraussetzung für den Anspruch auf Kindesunterhalt während eines Studium ist, dass dieses ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Ein einmaliger  Wechsel des Studiums wird toleriert, vorausgesetzt dass das Folgestudium eben ordentlich betrieben wird.  Ebenso sind vom unterhaltspflichtigen Elternteil gewisse anfängliche Anpassungs- und Eingewöhnungsschwierigkeiten hinzunehmen. Einem Maturanten wird in etwa eine bis zu einem Jahr dauernde Orientierungsphase eingeräumt.

Bei der Leistungskontrolle wird auf die durchschnittliche Dauer des jeweiligen Studiums abgestellt Die Leistungskontrolle erfolgt durch die Begutachtung der absolvierten ECTS ( European Credit Transfer and Accumulation System)  Punkte. Die ECTS -Punkte geben an, wieviel Zeit ein Student für eine Prüfung positiv absolvieren muss, wobei ein ECTS- Punkt für 25 Echtstunden zu je 60 Minuten steht. Bei der Leistungskontrolle wird im ersten Schritt  die für das jeweilige Studium benötigte durchschnittliche Studiendauer ermittelt. Anschließend werden die ECTS – Punkte, die für das gesamte Studium kalkuliert wurden, durch die Anzahl der zu ermittelten Semester dividiert. Damit erhält man die Summe der ECTS- Punkte, die ein Student in dem konkreten Studium pro Semester aufwenden muss, um sein Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben. Anhand dieser ECTS- Punkte wird die Leistungskontrolle durchgeführt und ein allfälliger Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit kontrolliert.

Diverse Rechtfertigungsgründe wie Krankheiten, Todesfälle, diverse Schicksalsschläge, eine wissenschaftliche Tätigkeit ( OGH 1.3.2017 GZ 5 Ob 1/17h) oder auch Teilzeitbeschäftigungen (welche die Unterhaltsverpflichtung reduziert haben) können aber dazu führen, dass trotz Überschreiten der durchschnittlichen Studiendauer die Kindesunterhaltsverpflichtung bestehen bleibt.

Es kann sein, dass für einen Studiumabschnitt mangels Leistungsnachweis der Unterhaltsanspruch verloren geht, später, in einem anderen Studienabschnitt ( wenn dies dann zielstrebig betrieben wird) aber wieder auflebt.

Der Bezug der Familienbeihilfe stellt bei dieser Beurteilung ein Indiz  bzw. eine grobe Orientierung für  die Beantwortung der Frage dar, ob  das Studium ordentlich betrieben wird.Im  Einzelfall kann es im konkreten Fall aber auch bei Bezug der Familienbeihilfe trotzdem der Fall sein, dass das Kind nicht den Nachweis erbringen kann, dass es ordentlich studiert.

Bachelor und Masterstudium sind hinsichtlich durchschnittlicher Studiendauer getrennt zu betrachten.

Die Unterhaltsverpflichtung ist  nicht davon unabhängig, ob der unterhaltspflichtige Elternteil selbst studiert hat.

Grundsätzlich kann die Unterhaltsverpflichtung auch während der Zeit eines Auslandsstudiums bestehen. Die Kosten einer Privatuniversität/ Auslandsuniversität  selbst werden aber im Regelfall keinen Sonderbedarf darstellen, welcher vom Unterhaltspflichtigen zusätzlich zum regulären Kindesunterhalt zu bezahlen wäre. Dies könnte jedoch dann der Fall sein, wenn das Kind besonders ausgeprägte Begabung und Neigung für genau dieses Studium aufweist und es diesem nicht möglich ist, eine vergleichbare Ausbildung an einer inländischen Universität zu absolvieren, die  mit einem geringeren Kostenaufwand verbunden ist.

Grundsätzlich besteht die Unterhaltsverpflichtung auch während eines Masterstudiums. Denn ein Masterstudium bringt eine deutliche Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten mit sich. Ein Doktoratstudium verzögert die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Es muss dem Unterhaltspflichtigen finanziell zumutbar sein
  • Die bisherigen Leistungen des Unterhaltsberechtigen müssen überdurchschnittlich sein
  • Das Doktoratstudium muss zu einem besseren Fortkommen des Studenten gereichen
  • Das Studium muss ernsthaft und zielstrebig betrieben werden.

Vermögen des unterhaltsberechtigen Kind ist grundsätzlich bei der Bemessung des Unterhalts außer Betracht zu lassen. Nur ausnahmsweise ist das Vermögen des Kindes heranzuziehen. Dies wenn die Unterhaltsleistungen der Eltern  aber auch das Eigeneinkommen des Kindes nicht zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ausreichen. Erträgnisse aus Vermögen ( zB Vermietung) stellen jedoch ein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen dar.  Ein Kind ist jedoch, soweit es ihm nicht leicht zumutbar ist,  nicht verpflichtet, Erträgnisse aus seinem Vermögen zu ziehen. So ist es dem Kind nicht zumutbar, die in seinem Eigentum befindliche Wohnung, in welches es selbst wohnt, zu vermieten.  Leistungen Dritter entbinden den Unterhaltspflichtigen nur dann wenn diese mit ihren Zahlungen diesen ausdrücklich entlasten wollten.

Das Kindesunterhaltsrecht ist äußerst kasuistisch und komplex. Für  diverse Fallkonstellationen gib es verschiedene Bemessungsansätze und unterschiedliche  Formeln. Wenn zB das nicht selbsterhaltungsfähige Kind bei keinem Elternteil wohnt verteilt sich dessen Unterhaltsbedarf auf beide Elternteile. Im ersten Schritt gilt es den Unterhaltsbedarf des Kindes zu ermitteln ( zB monatliche Kosten für eine WG, Nahrung, Kleidung). Je nach Lebensverhältnisse könnte hierzu auch auf den zweifachen Regelbedarf abgestellt werden.  Dieser Bedarf wird sodann  aufgrund einer speziellen von der Rechtsprechung entwickelten Formel  auf die Eltern anteilig deren Einkommensverhältnisse aufgeteilt. Bei überdurchschnittlichen Verhältnissen  ( zB Einkommen Kindesvater monatlich netto € 7000,– Kindesmutter € 2.800,) könnte sich für ein 20 Jahre altes Kind der Unterhaltsbedarf in Höhe von monatlich 1485,– ( angelehnt an den aktuellen2,5 facher Regelbedarf) wie folgt auf die Eltern aufteilen: der Kindesvater € 1.277,–, die Kindesmutter € 208,– .

Bei Eigeneinkommen des Kindes wird dieses nicht einfach von dem Kindesunterhalt abgezogen. Im Durchschnitt wird dieses mit der Hälfte vom Kindesunterhalt in Abzug gebracht. 

Was wird aber überhaupt unter anrechenbaren Eigeneinkommen des Kindes verstanden?

Jedes Arbeitseinkommen (dies auch im weitesten Sinn wie zB Ausbildungsremunerationen, Sonderzahlungen) stellt grundsätzlich Eigeneinkommen dar. Auch die Lehrlingsentschädigung stellt Eigeneinkommen dar.

Auch diverse öffentliche Leistungen wie Notstandshilfe, Ausgleichszulage und Karenzurlaubsgeld stellen Eigeneinkommen dar.  Auch eine Waisenrente oder Waisenpension zählt zum Eigeneinkommen. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Ausnahmeregelung zählen Studienbeihilfen und Kinderbetreuungsgeld nicht als Eigeneinkommen.

Kein Eigeneinkommen stellen jedoch  Einkommen aus kurzfristigen Ferialtätigkeiten ( bis zu zwei Monaten) oder auch Werkstattprämien, welche das Kind aus einer Behindertenwerkstätte bezieht, dar. Die Familienbeihilfe gilt nicht als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten. Eine Verdienstentgangsentschädigung, ebenso wie ein Schmerzengeldanspruch im Zusammenhang mit einem Unfall dienen der Abgeltung eines Sonderbedarfs und mindern sohin nicht den Unterhaltsanspruch.  Ebenso stellt Pflegegeld kein Einkommen dar. Bei durchschnittlichen Verhältnissen kann durch die Leistung des Zivil- oder Präsenzdienstes Selbserhaltungsfähigkeit eintreten.

Befindet sich ein unterhaltsberechtigtes Kind in Haft kommt in der Regel der staatliche Strafvollzug für die Deckung der grundsätzlichen  Lebensbedürfnisse des Kindes auf.

Ab ca rund € 1.000,– monatlich netto ( dies aber eben auch abhängig von den Lebensverhältnissen) wird im Durchschnitt die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes angenommen.

Die Beurteilung der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Betreibung des Studiums erfolgt stets im Nachhinein.

Die richtige rechtliche Vorgangsweise, wenn fraglich ist ob das Studium ordentlich betrieben wird oder möglicherweise bereits Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes eingetreten ist.

Der unterhaltspflichtige Elternteil ist gut beraten sich von seinem Unterhalt fordernden Kind laufend ( jeweils zum Semesterende) einen Leistungsnachweis bzw. bei einem Studentenjob sich auch die Gehaltsnachweise übermitteln zu lassen. Bei Weigerung des Kindes hat der unterhaltspflichtige Elternteil einen Kindesunterhaltsherabsetzung bei Gericht zu stellen und den regulären Kindesunterhalt aber laut bisherigem Unterhaltstitel ( dies per Vergleich oder per Gerichtsbeschluss) weiterhin  bis zur  gerichtlichen Neufestlegung oder gerichtlichen Aussetzung dem Kind unter Vorbehalt ( daher vorbehaltlich der Rückforderung) zur Überweisung zu bringen. Wichtig ist bei Verdacht ( und sei dies noch so begründet), dass das Kind nicht ordentlich studiert, der Kindesunterhalt nicht einfach eigenmächtig eingestellt wird. Denn sonst läuft der unterhaltspflichtige Elternteil Gefahr einer Exekution. Gegen eine solche hätte der Elternteil mittels sogenannter Oppositionsklage vorzugehen. Nicht  nur, dass diese Verfahren rechtlich diffizil sind und deshalb die Hinzuziehung einer Rechtsberatung dringend zu empfehlen ist, ist meist aufgrund des Streitwerts in diesen Verfahren Anwaltspflicht gegeben.

Wird laufender Kindesunterhalt vorbehaltlos  weiter bezahlt, scheitert für die Vergangenheit, selbst wenn sich im nachhinein anhand des Leistungsnachweis heraus stellt, dass das Studium nicht ordentlich betrieben wurde, meist am sogenannten gutgläubigen Verbrauch des Kindes.

Mit Volljährigkeit ist das Kind selbst Gläubiger seines Kindesunterhalts und muss diesen selbständig betreiben. Mit der Volljährigkeit des Kindes endet auch ein allfälliges Tätigsein des Jugendamtes.

Lebt das volljährige Kind noch bei einem Elternteil und soll der Kindesunterhalt an diesen überwiesen werden, so muss hierzu das volljährige Kind ausdrücklich zustimmen. Für Rechtswirksamkeit ist ein Abschluss  dieser Erklärung bei Gericht oder bei einem Notar zu empfehlen. Anderenfalls der geldunterhaltspflichtige Elternteil Gefahr läuft, dass das Kind den Unterhalt nochmals von ihm fordert.

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