anwaltfinden.at: Herr Mag. Hintermeier, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?
Seit meinem Jus Studium auf der Universität Wien bin ich begeisterter Jurist. Leider hatte ich nur wenig Zeit das Studium selbst zu genießen, da ich es in nur drei Jahren absolviert habe, um dann bald in den sehr traditionsreichen Betrieb meines Vaters als Rechtsanwalt einzusteigen. In meiner langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt und Partner unserer Kanzlei in St. Pölten habe ich mich hauptsächlich mit zivilrechtlichen Fragen und dabei auch sehr umfassend mit dem Erbrecht befasst. Überhaupt handelt es sich dabei seit Jahrzehnten um eines der Kerngebiete unserer Kanzlei. Erbrechtliche Fragen liegen mir auch weiterhin sehr am Herzen, weil das Erbrecht die Möglichkeiten bietet, auch nach unserem Tod noch die Verhältnisse mitzugestalten. Es geht also immer auch um Verfügungen über die Zukunft.
anwaltfinden.at: Stichwort „Pflichtteilsverzicht“: Was darf man allgemein darunter verstehen?
Jeder Mensch hat das Recht über sein Vermögen – auch über seinen Tod hinaus – frei zu verfügen. Ausgenommen davon ist aber ein Teil seines Vermögens, der fix an den Ehegatten und die Kinder oder deren Kinder, gehen muss. Diesen Teil des Vermögens nennt man Pflichtteil. Der Ehegatte und die Kinder können auch auf ihren Anteil verzichten, denn dann kann derjenige, dem gegenüber ein solcher Pflichtteilsverzicht abgegeben wurde, ganz frei bestimmen, wer sein Vermögen bekommen soll.
anwaltfinden.at: Wie kommt ein solcher Verzicht zustande und in welcher Form?
In der Regel sollte ein Pflichtteilsverzicht gut im Rahmen einer Planung der gesamten Erbfolge überlegt sein. Das sollte stets gemeinsam mit einem Experten erfolgen. In Folge wird ein Vertrag darüber abgeschlossen, der eine bestimmte Form – nämlich die eines Notariatsaktes – haben muss. Wir kümmern uns in der Regel für unsere Mandanten, dass alle Formvorschriften eingehalten werden. Wichtig zu betonen ist jedoch, dass ein Vertrag über einen Pflichtteilsverzicht, welcher nicht in dieser Form abgeschlossen wurde, jedenfalls ungültig wäre. Man kann diesen also nicht einfach mündlich oder von zu Hause aus schriftlich abgeben.
anwaltfinden.at: Dieser Verzicht klingt für einen Rechtslaien zunächst etwas surreal. Wieso sollten sich pflichtteilsberechtige Personen dazu entscheiden, freiwillig auf deren Pflichtteil zu verzichten?
Das kann verschiedene Gründe haben. Hintergrund ist meistens aber, dass auch Anteile an Schenkungen zu Lebzeiten, zum Beispiel von den Eltern an eines der Kinder, nach dem Tod des Geschenkgebers durch die anderen Pflichtteilsberechtigten gefordert werden können. Die Folge: Die anderen Pflichtteilsberechtigten wollen solche Vorzüge bekämpfen, um einen Anteil für sich beanspruchen zu können. Um diese Konflikte zu vermeiden, gibt es meistens Vereinbarungen zwischen Eltern und den Kindern, die nicht den größten Vermögensanteil erhalten haben, sodass auch diese etwas zu Lebzeiten bekommen, dafür jedoch im Gegenzug auf ihren Pflichtteil verzichten. Die Übertragung einer Liegenschaft, wie etwa eines Hauses, an eines der Kinder ist hierbei als Beispiel zu nennen. In diesem Fall bekommen häufig auch die anderen Kinder von ihren Eltern oder womöglich von dem, der die Liegenschaft bekommt, Vermögen. Im Gegenzug verzichten sie auf den Pflichtteil.
anwaltfinden.at: Welche Vorteile bietet nun der Pflichtteilsverzicht für Erben sowie für Erblasser?
Der Erblasser, also der, der schenkt oder auch ein Testament macht, kann sich sicher sein, dass seine Erben später aufgrund seiner Entscheidungen keine Rechtsstreitigkeiten über sein Vermögen führen. Das sind in der Regel sehr unschöne Anlässe, die man seinen Kindern und Partnern gerne ersparen möchte. Es kommt somit wirklich der Wille des Verstorbenen zum Durchbruch!
Die Erben haben in der Regel den Vorteil, dass sie dafür schon zu Lebzeiten des Erblassers irgendeine Zuwendung bekommen und ebenfalls nicht später über ihr Erbe streiten müssen.
anwaltfinden.at: Wann ist der Verzicht auf den Pflichtteil Ihrer Meinung nach ratsam bzw. sinnvoll?
Besonders rate ich dazu, wenn es schon zu Lebzeiten zu einer Übertragung von Vermögen an die Kinder oder auch den Ehegatten kommen soll. Sehr häufig rate ich auch zur Regelung dieser Angelegenheiten im Falle von Unternehmensinhabern. Denn besonders dort ist die Teilung des Unternehmens nach Ableben des Eigentümers sehr schwierig. Aber auch in eher nicht so klassischen Familienverhältnissen können Pflichtteilsverzichte sehr sinnvoll sein. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Kinder mit dem*der aktuellen Partner*in der Mutter bzw. des Vaters nicht verwandt oder untereinander nur Halbgeschwister sind. Solche Konstellationen sind häufig nicht unproblematisch nach dem Tod.
anwaltfinden.at: Wie stehen Sie zur folgenden Aussage: „Mit einem Pflichtteilsverzicht können Erbschaftsstreitigkeiten bereits im Vorhinein vermieden werden.“
Das ist genau der Punkt, um den es geht!
anwaltfinden.at: Welche Fallstricke gibt es im Hinblick auf den Pflichtteilsverzicht, die man unbedingt beachten sollte?
Man darf die Formpflicht nicht vergessen! Sprich, man darf das nicht einfach mündlich oder schriftlich untereinander festhalten. Außerdem sollte man sich immer im Vorhinein überlegen, was man seinen Pflichtteilsberechtigten anzubieten hat, damit diese auf ihren Pflichtteil noch zu Lebzeiten verzichten. Das Ganze sollte immer eine Gesamtplanung im Auge haben. Auch immer mit der Überlegung, ob das Angebote sind, die die anderen Pflichtteilsberechtigten auch realistisch akzeptieren werden.
Manchmal kommt es natürlich vor, dass Pflichtteilsberechtigte sich weigern, auf den Pflichtteil zu verzichten. Das ist in intakten Familienverhältnissen weniger der Fall, jedoch passiert es öfters, dass die Eltern nicht einmal daran denken, Pflichtteilsverzichte einzuholen. Gerade bei nicht so klassischen Familienverhältnissen – aber nicht nur – kommt es dann sehr häufig zu Diskussionen oder oft zur Weigerung, einen Pflichtteilsverzicht abzugeben. Man sollte sich also immer überlegen, wie man an diese Personen herantritt, auch wenn man grundsätzlich ein gutes Verhältnis zu ihnen hat.
anwaltfinden.at: Wie können Sie – als Rechtsexperte im Erbrecht – Mandanten bei einem Anliegen betreffend des Pflichtteilsverzichtes behilflich sein?
Ich stehe für alle Fragen der Nachlassplanung gerne zur Verfügung und kann meinen Mandanten auch sehr oft Vorschläge machen, wie man zu einer sinnvollen Regelung mit manchen Pflichtteilsberechtigten kommen kann. Gemeint ist hier vor allem, welche wirtschaftlichen Vorteile man ihnen anbieten könnte, was realistisch umsetzbar ist und welche Angebote sie auch in der Regel annehmen würden.
Natürlich komme ich aber auch ins Spiel, wenn es darum geht, dass kein Pflichtteilsverzicht abgegeben wurde; somit in Streitfällen. Auch hier hilft es, sich möglichst frühzeitig an einen Experten zu wenden, um sinnvolle Strategien zu erarbeiten. Dies allerdings auch bereits im Vorhinein, bevor ein Prozess überhaupt entsteht.
Ich bin überzeugt davon, dass meine Stärke darin liegt, einerseits die Probleme zu kennen, welche sich noch zu Lebzeiten stellen, andererseits Erfahrung darin zu haben, wie die Streitigkeiten dann in späterer Folge ablaufen werden.
Vielen Dank für das Interview!
Versierte Beratung zu Erbfolge, Pflichtteil & Co – Rechtsanwalt Mag. Anton Hintermeier
Erbrechtliche Angelegenheiten können sich oftmals als komplexe Problemfelder erweisen. Besonders dann benötigt es einen kompetenten Rechtsanwalt, der Ihnen vom ersten Beratungsgespräch bis hin zur Lösungsfindung verlässlich zur Seite steht. Haben Sie Fragen zum Pflichtteilsverzicht oder möglicherweise ein konkretes Anliegen im Erbrecht, unterstützt Sie Rechtsanwalt Mag. Anton Hintermeier gerne in Ihrem individuellen Fall. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte Mag. Anton Hintermeier auf anwaltfinden.at.