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Die (gesetzliche) Erwachsenenvertretung – Wissenswertes für den Vertreter

Mag.Helmut Kunz kanzlei Linz
Die Möglichkeit einer Erwachsenvertretung gibt es für jene Person, die trotz ihrer Volljährigkeit nicht mehr alle ihre Entscheidungen selbst treffen können. Worum es sich bei der Erwachsenenvertretung, vor allem der gesetzlichen Erwachsenenvertretung, genau handelt, welche Aufgaben ein Erwachsenenvertreter übernimmt und wie dieser von einem Anwalt unterstützt werden kann, erzählt Ihnen Mag. Helmut Kunz, Rechtsanwalt und Experte im Familienrecht.

anwaltfinden.at: Herr Mag. Kunz, bitte stellen Sie sich und Ihren Werdegang unseren Usern vor.

Ich bin Jahrgang 1957, habe die HAK-Matura gemacht und wollte schon immer – bereits in der Hauptschule – Anwalt werden. Im Zuge der HAK-Matura habe ich das Freifach Latein gewählt, was eine ziemliche Plage war, weil der Unterricht zwei Mal unter der Woche am Nachmittag stattfand. Ich dachte mir aber, dass ich das machen muss, weil ich für ein Jurastudium Latein brauchen werde.

Kurz vor meiner Matura sind meine Eltern, die selbstständig waren, schwer krank geworden, wodurch sie in finanzielle Turbulenzen gerieten. Aus diesem Grund habe ich angefangen zu arbeiten, um meine Eltern unterstützen zu können.

Meine Eltern waren in der Textilbranche tätig, weshalb ich ein wenig Ahnung von der Branche hatte – ich hatte sie quasi im Blut. Nach der Matura habe ich also in der Textilbranche zu arbeiten angefangen, zunächst als Vertreter und später noch in allen möglichen anderen Bereichen.

Erst mit 38 Jahren habe ich das Jurastudium begonnen. Nach dem Studium war ich an der Johannes Kepler Universität Linz als Assistent von Prof. Dr. Reischauer tätig. Ich dachte mir, dass es dadurch leichter werden würde, einen Job als Konzipient zu bekommen, was damals nicht so einfach war – vor allem, weil ich bereits 42 Jahre alt war. Gleich bei der ersten Bewerbung bin ich jedoch von einem Anwalt genommen worden und bin seit 2002 in der Anwaltschaft tätig. Als Anwalt habe ich mich 2006 selbstständig gemacht.

anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem auf das Familien- und das Erbrecht spezialisiert – zwei sehr emotionale Thematiken. Woher stammt Ihr Interesse für diese Bereiche?

Mein Ausbildungsanwalt rief mich eines Tages in sein Büro und meinte, er habe ein Angebot erhalten, ein Buch über die einvernehmliche Scheidung zu schreiben. Das wollte er nicht ausschlagen, vor allem weil es marketingtechnisch sehr gut war und der LexisNexis Verlag nicht irgendein Verlag ist. Ich würde ohnehin gerade von der Universität kommen, an der Schreiben zum Alltag gehört, und daher solle ich das Buch schreiben und wir treten gemeinsam als Autoren auf. Das haben wir dann tatsächlich so gemacht und durch dieses Buch bin ich fachlich in das Familienrecht reingekommen.

Zur Konzipientenzeit, die für die Familie sehr belastend war, vor allem, weil ich damals zwei Kinder im Volksschulalter hatte, kam eine Ehekrise. Ich bin mit einer Psychotherapeutin verheiratet, weswegen wir in eine Paartherapie gegangen sind. Diese Paartherapie hat mich tatsächlich sehr fasziniert, weil sie wirklich eine tolle Sache war. Aus diesem Grund habe ich anschließend über mehrere Jahre hinweg eine Ausbildung als Beziehungscoach in Österreich gemacht und habe zusätzlich von 2014 bis 2017 eine Ausbildung in den USA absolviert. Dieser Bereich spielt natürlich genau in das Familienrecht hinein, weil man dadurch nicht nur den theoretischen, sondern auch den emotionalen Zugang hat. Das ist für das Familienrecht von großem Vorteil.

anwaltfinden.at: Was hat bei Ihnen immer Priorität in der Behandlung von familienrechtlichen Fällen?

Das Wichtigste bei allen familienrechtlichen Angelegenheiten ist, dass es zu einer Lösung kommt, die für meine Mandantin bzw. meinen Mandanten sehr gut ist. Außerdem sollte das Gegenüber mit dieser Lösung auch gut leben können. Am besten ist, wenn es am Schluss keinen Verlierer gibt.

Natürlich habe ich primär die Interessen desjenigen im Auge, den ich vertrete, dennoch ist es im Interesse des einen, dass die Interessen des anderen nicht völlig untergehen. Die Leute bleiben sich in der Regel – vor allem durch die Elternschaft – verbunden. Trotz Scheidung bleibt man gemeinsam Eltern, weshalb es von Vorteil ist, wenn der Scheidungsprozess so abläuft, dass sie sich weiterhin ohne großen Zorn, Schmerz oder Ärger begegnen können. Die Scheidung sollte eine bereinigende Wirkung haben und den Eltern die Möglichkeit geben, von vorne anfangen zu können.

anwaltfinden.at: Was genau bedeutet eigentlich „Erwachsenenvertreter“?

Der Erwachsenvertreter unterstützt jene Personen, die trotz ihrer Volljährigkeit nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten gehörig zu besorgen. Die Unterstützung und der Schutz des Betroffenen sind hierbei wesentlich, die frühere Sachwalterschaft war dahingehend anders konzipiert.

Die Erwachsenenvertretung unterstützt all diejenigen, denen es an Entscheidungsfähigkeit in manchen Bereichen mangelt. Anders als bei der Sachwalterschaft ist eine Erwachsenenvertretung nie für alle Bereiche zuständig. Es muss daher genau definiert werden, in welchen Bereichen der Betroffenen nicht mehr entscheidungsfähig ist.

Das heißt, man bestimmt den Erwachsenenvertreter zum Beispiel für die Vertretung vor Gerichten, den Abschluss von Verträgen oder die Einwilligung einer medizinischen Behandlung.

anwaltfinden.at: Für welche Bereiche bzw. Lebenslagen kann man jemanden zum Erwachsenenvertreter bestimmen?

Ich hatte zum Beispiel einen Fall, in dem eine Frau zwar völlig im Berufsleben stand, aber in finanziellen Angelegenheiten kognitiv etwas überfordert war. Im Zuge einer Erbschaft hat sie ein großes Vermögen geerbt. Das Gericht hat einen Erwachsenenvertreter bestellt, der – ausschließlich – für die Abwicklung der Erbschaft zuständig war, sodass die betroffene Frau keine Entscheidungen trifft, die für sie nachteilig gewesen wären.

anwaltfinden.at: Wer kann Erwachsenenvertreter werden?

Grundsätzlich kann jeder Erwachsenenvertreter werden – die Volljährigkeit und eigene Geschäftsfähigkeit des Vertreters vorausgesetzt. In der Regel handelt es sich hierbei primär um Verwandte oder Bekannte.

Nur wenn solche nicht verfügbar sind, greift die gerichtliche Erwachsenenvertretung. In solchen Fällen wird von dem Gericht auf die Berufsstände zurückgegriffen, wobei es sich vor allem um Anwälte und Notare handelt, die diese Aufgabe übernehmen. Außerdem gibt es noch den Erwachsenenschutzverein, der ebenso bestellt werden kann.

anwaltfinden.at: Es gibt gewählte, gesetzliche und gerichtliche Erwachsenenvertreter – gibt es Unterschiede in der Ausführung ihrer Vertretungsarbeit?

Die verschiedenen Stufen der Erwachsenenvertretung sind nachrangig. Zuerst gibt es eine Vorsorgevollmacht.

Eine Vorsorgevollmacht ist eine vorsorglich eingeräumte Vollmacht, für den Fall, dass der Betroffene seine Entscheidungsfähigkeit verliert. Der Vorsorgebevollmächtigte wird erst bei Verlust der Entscheidungsfähigkeit es Betroffenen tätig. Man kann zum Beispiel seine Kinder als Vorsorgebevollmächtigte einsetzen.

Wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt, dann kann es zu keiner Erwachsenenvertretung kommen.

Sollte es keine Vorsorgevollmacht geben und der Betroffene ist noch in dem Maße entscheidungsfähig, in dem er weiß, was zu erledigen ist und wem er vertrauen kann, aber nicht mehr in jenem Ausmaß, in dem er die Sache selbst regeln kann, dann kann er für sich selbst einen Vertreter wählen.

Wenn jedoch die Entscheidungsfähigkeit nicht mehr hinreichend ist, dass er bestimmten kann, wer ihn vertreten soll, dann greift die gesetzliche Erwachsenenvertretung.

Für die gesetzliche Erwachsenenvertretung kommen nur nächste Angehörige der betroffenen Person in Frage. Dazu gehören:

  • Eltern,
  • Großeltern,
  • volljährige Kinder,
  • volljährige Enkelkinder,
  • Geschwister,
  • Nichten/Neffen,
  • Ehegatten,
  • die eingetragene Partnerin/der eingetragene Partner,
  • Lebensgefährten, die zumindest drei Jahre im gemeinsamen Haushalt mit dem Betroffenen gelebt haben.

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht durch Erklärung des Angehörigen, der in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis – ÖZVV – eingetragen wird.

Das Einzige, das dem entgegenstehen würde, ist, wenn der Betroffene im Vorfeld verfügt, dass der in Betracht kommende Angehörige die Vertretung nicht übernehmen soll. Man kann einer Erwachsenenvertretung somit im vorherein widersprechen. Diese Konstellation ist in der Praxis nicht selten.

Jemand ohne Vorsorgevollmacht wird entscheidungsunfähig und ist nicht mehr in der Lage, einen Erwachsenenvertreter zu wählen. Eigentlich wäre beispielsweise sein Sohn an der Reihe, diese Aufgabe zu übernehmen, obwohl er mit diesem vielleicht seit 20 Jahren nicht mehr redet. Um so etwas zu verhindern, gibt es die zuvor angesprochene Möglichkeit, der Erwachsenenvertretung zu widersprechen. Dieser Widerspruch ist ebenfalls im ÖZVV zu registrieren.

Sollte kein gesetzlicher Erwachsenenvertreter zur Verfügung stehen – sei es, weil es keine Verwandten gibt oder diese Aufgabe keiner übernehmen möchte – dann greift die gerichtliche Erwachsenenvertretung, bei der ein Vertreter vom Gericht bestellt wird. Das ist jenes Modell, das der früheren Sachwalterschaft am nächsten kommt.

anwaltfinden.at: Inwiefern hängt die Vorsorgevollmacht mit der Erwachsenenvertretung zusammen?

Eine rechtsverbindliche, rechtswirksame Vorsorgevollmacht schließt eine Erwachsenenvertretung aus.

Der große Vorteil ist, dass ein Erwachsenenvertreter – sowohl der gewählte als auch der gesetzliche und gerichtliche – dem Gericht immer Rechenschaft abzulegen hat. Sie müssen regelmäßig einen Rechenschaftsbericht an das Gericht abliefern, was der Vorsorgebevollmächtigte nicht machen muss.

Der Erwachsenenvertreter muss eine Rechnungslegung über das Einkommen und Vermögen des Betroffenen bei Gericht einreichen. Außerdem wird er jährlich dazu aufgefordert, über den allgemeinen – gesundheitlichen, sozialen etc. – Zustand des Betroffenen zu berichten.

Der Vorsorgebevollmächtigte unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle. Es gibt Ausnahmen, wie medizinische Behandlungen, also die Einwilligung in die medizinische Behandlung gegen den Willen des Betroffenen. In Fällen, in denen der Vorsorgebevollmächtigte in eine Behandlung einwilligt und der Betroffene zu erkennen gibt, dass er das nicht möchte, wird das Gericht eingeschalten.

Der nächste Bereich ist die medizinische Behandlung zu Forschungszwecken, die Sterilisation und die dauerhafte Wohnortverlegung in das Ausland. Für diese Bereiche benötigt auch der Vorsorgebevollmächtigte die gerichtliche Zustimmung und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. In allen anderen Bereichen nicht.

anwaltfinden.at: Welche Pflichten und Rechte habe ich als Erwachsenenvertreter?

Rechte hat er nur insofern, als dass er die Rechte des Betroffenen wahrnimmt. Wenn er zum Beispiel zur Vertretung vor den Verwaltungsbehörden bestellt ist, dann hat er das Recht für den Betroffenen bei den Verwaltungsbehörden einzuschreiten.

Das heißt, der Erwachsenenvertreter hat die Pflicht, die Rechte des Betroffenen wahrzunehmen.

anwaltfinden.at: Was raten Sie Erwachsenenvertretern und wie können Sie sie unterstützen?

Sobald rechtliche Probleme ersichtlich werden, wird in der Regel immer ein Anwalt bestellt.

Darüber hinaus kann die Unterstützung durch einen Anwalt für einen Erwachsenenvertreter immer im Zusammenhang mit der gerichtlichen Kontrolle des Erwachsenenvertreters sinnvoll sein. Am meisten greift das bei der Rechnungslegungspflicht. Der Erwachsenenvertreter muss Rechnung legen und die Einnahmen und Ausgaben genau angeben – eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung quasi. Da können rechtliche Qualifikationen notwendig sein.

Ein Beispiel: Ein Erwachsenenvertreter vertrat seine Schwester und ging mit dieser jeden Monat ins Kino. Die Eintrittskarten für seine Schwester und sich selbst bezahlte er von dem Geld der Schwester. Er führte dies in der Rechnungsführung genau so an, wobei man an diesem Beispiel sieht, wie detailliert diese ist. Das Gericht hat entschieden, dass die Kosten des Besuches des Bruders, also des Erwachsenenvertreters, nicht zulasten der Betroffenen gehen können.

Die Bestimmung, welche Kosten bzw. Aufwendungen zulasten des Betroffenen und welche zulasten des Erwachsenenvertreters gehen, erfolgt durch rechtliche Beurteilungen, wobei es durchaus sinnvoll sein kann, bereits im Vorfeld eine entsprechende rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Ein anderes Beispiel: Eine große Erbschaft ist angefallen. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der Verstorbene seine zwei Töchter als Erwachsenenvertreter hatte. Die Töchter haben noch zu Lebzeiten Geldgeschenke an die Enkelkinder gemacht, was durch den Todesfall herausgekommen ist. Es stellt sich die Frage, ob dies zulässig oder nicht zulässig ist. Sollte es nicht zulässig sein, dann haften die Erwachsenenvertreter. Im schlimmsten Fall müssten die Töchter die Kosten übernehmen. Zivilrechtlich ist das nicht einfach, es gilt zu klären, ob eine Rückabwicklung der Schenkung möglich ist. In dem konkreten Fall müssten die Töchter den Betrag in die Erbmasse zurückzahlen, da die Erbmasse des Betroffenen durch die Geschenke verkürzt wurde.

Grundsätzlich vertritt man die Rechtspositionen des Betroffenen und manchmal sind diese Rechtspositionen dergestalt, dass es anwaltlicher Unterstützung bedarf. Es gilt dann, die Entscheidungen so zu treffen, wie sie der Betroffene wahrscheinlich selbst, wäre er noch entscheidungsfähig, treffen würde.

Vielen Dank für das Gespräch

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