anwaltfinden.at: Frau MMag. Dr. Binder-Novak, können Sie sich und Ihre berufliche Tätigkeit kurz vorstellen?
Ich bin seit 2005 selbständige Rechtsanwältin. Ich bin in Sankt Pölten tätig, meine Kanzlei befindet sich im Zentrum an der Adresse Riemerplatz 1. Seit Beginn meiner selbständigen Tätigkeit werde ich vom Gericht als Masseverwalterin bzw. als Sanierungsverwalterin bestellt. Weiters bin ich auch als Schuldnervertreterin zur Regelung der Verbindlichkeiten im Rahmen von Privatkonkursen tätig.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Anwältin im Insolvenzrecht. Was sind Ihrer Erfahrung nach häufige Gründe, weswegen Unternehmer in die Insolvenz schlittern?
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben zu wenig Überblick über ihre Finanzen. Vor allem zu Beginn ihrer Selbstständigkeit überschätzen viele die Zahllast aufgrund von öffentlichen Abgaben, die zu entrichten sind. Hinzu kommt, dass die Unternehmen oft mit zu wenig Eigenkapital ausgestattet sind. Das führt zur Krisenanfälligkeit. Forderungsausfälle kommen zustande, weil Geschäftspartner oft auch insolvent werden. Eine Krisensituation beim Unternehmen ist die Folge. Geschäftsrückgänge als Folge von Corona sind in vielen Branchen zu verzeichnen.
anwaltfinden.at: Kann schon Insolvenzgefahr Auswirkungen auf das Unternehmen haben?
Natürlich. Bemerken Unternehmer, dass sie über zu wenig liquide Mittel verfügen, befriedigen sie oft nur die besonders drängenden Gläubiger. Es kommt zu einer Loch-auf-Loch-zu-Taktik, die dazu führt, dass die Gläubiger, die man als nicht so wichtig einschätzt – das ist oft die öffentliche Hand – nicht ausreichend oder nicht im gleichen Ausmaß befriedigt werden wie andere Geschäftspartner.
Oft werden öffentliche Abgaben (Steuern / Sozialversicherungsbeiträge) über viele Monate nicht beglichen; das kann empfindliche Folgen für den Unternehmer, Geschäftsinhaber oder Geschäftsführer haben. Diese müssen als Folge selbst mit eigenem Privatvermögen für die Forderungen einstehen, es werden häufig sogar Finanzstrafverfahren oder manchmal auch Strafverfahren eingeleitet.
anwaltfinden.at: Das Geld im Unternehmen wird knapp: Welche Strategien kann ein verschuldeter Unternehmer anwenden, um eine Insolvenz zu vermeiden?
Die Situation kann man auf drei Arten angehen:
- Ausgabenreduktion: Man kann sich ansehen, welche Ausgaben reduziert werden können, angefangen zum Beispiel beim Personal. Unternehmer können sich fragen, ob sie wirklich ihr gesamtes Personal benötigen oder ob sie einzelne Mitarbeiter kündigen oder deren Arbeitszeit mit neuen Verträgen verkürzen können. Hierzu ist aber jedenfalls erforderlich, dass auch der Dienstnehmer einer derartigen Änderung zustimmt. Auch beim Mietobjekt bzw. beim Vermieter könnte man ansetzen und z.B. versuchen, Mietzinsreduktionen zu verhandeln. Bei allen laufenden Kosten könnten Unternehmer natürlich prüfen, ob Einsparungen möglich sind.
- Einnahmensteigerung: Möglichkeiten zur Steigerung von Einnahmen sind die Eröffnung neuer Geschäftszweige oder die Verwendung anderer Werbemaßnahmen. Diese Maßnahmen haben aber einen eher längerfristigen Wirkungshorizont und sind meist keine ausreichenden Strategien zur Bewältigung einer akuten Krise.
- Erhöhung des Eigenkapitals des Unternehmens: Das ist auch kurzfristiger möglich. Wenn ein Unternehmer diese Möglichkeit selbst nicht hat, ist es zum Beispiel denkbar, durch einen oder mehrere neue Geschäftspartner ein neues Geschäftsmodell zu finden oder eine Firmenumstrukturierung zu gestalten, wodurch die Eigenkapitalquote erhöht wird.
anwaltfinden.at: Wieso möchten manche Unternehmer einen Insolvenzantrag vermeiden?
Insolvenz führt immer zu einer gewissen Verunsicherung am Markt. Die Insolvenz kann auch dazu führen, dass sich Geschäftspartner abwenden.
Viele Unternehmer möchten nicht mit einem Unternehmen kooperieren, das bereits in der Krise ist oder war. Es wird schwierig, neue Kredite zu bekommen oder weitere Finanzierungen tätigen zu können.
Es ist also trotz Sanierung nicht ganz einfach, am Markt weiterhin erfolgreich tätig zu sein. Insolvenz ist immer mit einer Krise der Bonität des Unternehmens verbunden und auch mit Unsicherheit darüber, ob zukünftige Geschäftspartner dem Unternehmen Vertrauen schenken.
anwaltfinden.at: Wenn Abwehrversuche scheitern: Wann müssen Unternehmen Insolvenz beantragen?
Zwingend ist die Insolvenz zu beantragen, wenn Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Das ist der Fall, wenn der Schuldner mangels bereiter Mittel nicht nur vorübergehend außerstande ist, fällige Geldforderungen zu erfüllen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, muss er die Insolvenz ohne schuldhafte Verzögerung, spätestens aber 60 Tage nach Vorliegen dieses Stadiums beantragen.
Während der Corona-Krise erfuhren diese Fristen eine Modifikation: Konkret musste man binnen 60 Tagen nach dem 30. Juni 2021 oder 120 Tagen nach dem Eintritt der Überschuldung den Insolvenzantrag stellen.
anwaltfinden.at: Welche Konsequenzen hat es, wenn man den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig stellt?
Dies kann auf die persönliche Haftung Auswirkungen haben: Wird ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, könnten unter Umständen auch nach Ende des Insolvenzverfahrens Schadenersatzansprüche gegen den Schuldner gestellt werden. Es könnten unter Umständen auch strafrechtliche Tatbestände durch dieses Verhalten erfüllt sein, insbesondere § 159 StGB. D.h. grob fahrlässige Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen käme in Frage, wenn den Gläubigern aus der verspäteten Insolvenzanmeldung ein Schaden entstanden ist.
anwaltfinden.at: Mit welchen Kosten sind Insolvenzanträge verbunden?
Man muss differenzieren, um welche Art von Konkurs – nämlich Privatkonkurs oder Unternehmenskonkurs – es sich handelt, ob ein Insolvenzverwalter bestellt wird oder nicht und ob der Schuldner einen Schuldnervertreter beauftragt.
Vom Insolvenzgericht wird bei Unternehmenskonkursen – wenn kein kostendeckendes Vermögen vorliegt –, ein Kostenvorschuss dem Insolvenzantragsteller aufgetragen, damit das Verfahren überhaupt eröffnet wird. Beim Privatkonkurs ist die Kostenvorschusspflicht in dieser Form nicht vorhanden, auch besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner nach Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit (§ 49a EO) einen Antrag auf Annahme eines Zahlungsplanes stellt. Auch hierfür ist kein Kostenvorschuss erforderlich.
Teilt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit, dass z.B. für den Fortbetrieb ein wesentlich höherer Kostenvorschuss erforderlich ist, so wird dieser dem Unternehmen aufgetragen. Kann das insolvente Unternehmen diesen nicht erlegen, dann wird der Unternehmensbetrieb geschlossen. Der Insolvenzverwalter beschäftigt sich dann nur noch mit der geordneten Abwicklung des Unternehmens, das letztlich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens liquidiert wird.
Der Insolvenzverwalter erhält bei Beendigung des Verfahrens eine Entlohnung die sich zusammensetzt aus in der Regel 3.000 Euro sowie einem Prozentsatz der einbringlich gemachten Masse (20 Prozent von den ersten 22.000 Euro, 15 Prozent bei einem Mehrbetrag bis 100.000 Euro usw.). Weiters ist die Dauer und der Aufwand für den Fortbetrieb relevant und ob eine sogenannte Sondermasse (d.h. z.B. eine mit Pfandrechten belastete Liegenschaft) verwertet wird. Wird ein Sanierungsplan abgeschlossen, so profitiert der Insolvenzverwalter ebenso in Form einer Entlohnung in Höhe eines Prozentsatzes der Sanierungsplanquote (4 Prozent bis 50.000 Euro, 3 Prozent bis 500.000 Euro usw.) jeweils zuzüglich Umsatzsteuer.
Ebenso haben die Gläubigerschutzverbände Anspruch auf Entlohnung in Höhe von 10 Prozent der Entlohnung des Insolvenzverwalters, wenn es zur Verteilung kommt, in Höhe von 15 Prozent, wenn ein Sanierungsplan abgeschlossen wird. Weiters wird vom Gericht eine Pauschalgebühr in Höhe von 15 Prozent der Entlohnung des Insolvenzverwalters eingehoben.
Im Privatkonkursverfahren wird häufig kein Insolvenzverwalter bestellt. Die Abwicklung führt der Rechtspfleger am Bezirksgericht durch. Wird aber doch ein Insolvenzverwalter bestellt, so beträgt die Mindestentlohnung 1000 Euro für diesen.
Das Verfahren vor dem Bezirksgericht ist somit meist wesentlich kostengünstiger als die Abwicklung des Unternehmenskonkurs vor dem Landesgericht.
anwaltfinden.at: Was raten Sie Unternehmern, die vor einer Insolvenz stehen?
Zuerst sollte man prüfen, wie die Gläubigerstruktur aussieht, d.h. in welcher Höhe die Verbindlichkeiten aushaften, bei wie vielen Personen man Schulden hat und wie groß der Anteil bei der öffentlichen Hand ist – insbesondere bei Sozialversicherung, ÖGK und Finanzamt.
Im Sanierungsplanverfahren benötigt man Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger, es müssen mehr als 50 Prozent der bei der Sanierungsplantagsatzung anwesenden Gläubiger auch unter Berücksichtigung der Höhe der angemeldeten Forderungen dem Sanierungsplan die Zustimmung erteilen, damit ein Antrag auf Sanierungsplan als angenommen gilt.
Die Sozialversicherung stimmt immer contra, das Finanzamt prüft und entscheidet im Einzelfall.
Nur dann, wenn man bei einem oder mehreren anderen Gläubiger(n) (z.B. Hausbank) höhere Verbindlichkeiten hat und dieser/diese dem Sanierungsplan die Zustimmung erteilt(en), kann somit die Entschuldung erreicht werden. Man sollte daher schon früh Gespräche insbesondere mit den Großgläubigern führen, um deren späteres Abstimmverhalten im Insolvenzverfahren zu prüfen.
Darüber hinaus sollte geklärt werden, was das Ziel des Insolvenzverfahrens sein soll, ob z.B. die GmbH weiterhin quasi Geschäfte führen soll oder ob Ziel des Verfahrens eine geordnete Liquidation des Unternehmens ist.
Soll der Geschäftsbetrieb aufrecht bleiben, sind die Massekosten, die während des Konkursverfahrens auflaufen, erheblich höher, da der Insolvenzverwalter die Geschäfte weiterführen muss und auch durch den Fortbetrieb für die Gläubiger kein Nachteil entstehen darf. Demnach hat der Insolvenzverwalter Anspruch auf eine adäquate Entlohnung für den Fortbetrieb, die abhängig ist von der Unternehmensgröße bzw. dem Arbeitsaufwand.
anwaltfinden.at: Wie können Sie als Expertin im Insolvenzrecht Unternehmern, die vor einer Insolvenz stehen, helfen?
Ich sehe meine Aufgabe darin, vor einem Insolvenzantrag zuerst den Status Quo zu erheben: Wie viele Verbindlichkeiten gibt es, wie sieht die Struktur aus, wodurch wurde die Krise ausgelöst– die Beantwortung der Fragen, die ich vorher genannt habe. Danach kläre ich ab, in welche Richtung es gehen soll. Muss es in Richtung Insolvenz gehen oder gibt es eine andere Perspektive? Auch kläre ich ab, welche Ziele der Unternehmer verfolgt. Möchte er das Unternehmen retten oder fühlt er sich überfordert und sieht darin keinen Sinn mehr?
Wenn man das Unternehmen retten möchte, braucht man im Insolvenzverfahren eine positive Fortbestandsprognose, d.h. ich berate Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Erstellung einer Prognoserechnung.
Natürlich unterstütze ich gerne bei der richtigen Entscheidung, den notwendigen Vorarbeiten für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens und vertrete Unternehmer / Unternehmerinnen natürlich auch vor Gericht, wenn man sich zu einem Eigenantrag entscheidet. Aber auch dann, wenn bereits das Insolvenzverfahren aufgrund eines Gläubigerantrages eröffnet wurde, wird man einen kompetenten Vertreter benötigen, um die richtige Wahl eines Entschuldungsinstrumentariums zu treffen (Sanierungsplan, Zahlungsplan, Abschöpfungsverfahren). Ich informiere selbstverständlich über die jeweiligen Möglichkeiten, Vor- und Nachteile und auflaufende Kosten.
MMag. Dr. Susanne Binder-Novak – Ihre erfahrene Expertin im Insolvenzrecht
Steckt ihr Unternehmen in einer Krise? MMag. Dr. Susanne Binder-Novak nimmt sich Ihres Falles an; egal, ob es darum geht, ein Insolvenzverfahren zu vermeiden oder einen Insolvenzantrag zu stellen. Auch Gläubigeransprüche setzt die Insolvenzrechtsanwältin kompetent durch. Gerne bietet sie in ihrer Kanzlei im Zentrum von 3100 St. Pölten eine Erstberatung an. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von MMag. Dr. Susanne Binder-Novak auf anwaltfinden.at.