anwaltfinden.at: Frau Dr. Kolb, möchten Sie sich unseren Usern kurz vorstellen?
Ich habe im Rahmen meiner Tätigkeit als Konzipientin in einer Großkanzlei begonnen und habe mich vor zehn Jahren dazu entschieden in die Kanzlei Stipanitz, Schreiner und Partner zu wechseln. Schon damals war mein Interesse für das Familienrecht sehr groß und in der Großkanzlei hatte ich nicht die Möglichkeit, mich in diesem Gebiet zu vertiefen. Seit über sieben Jahren bin ich eingetragene Anwältin, wobei mein Spezialgebiet im Familienrecht liegt. Außerdem bin ich eingetragene Mediatorin in der Liste des Bundesministeriums für Justiz und Lektorin auf einer Fachhochschule.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Rechtsanwältin für Familienrecht. Ist es nicht emotional schwierig, eine Scheidung/Trennung zu begleiten, wenn Kinder involviert sind?
Ich darf vorausschicken, dass jede Scheidung mit Emotionen verbunden ist. Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, dass ich das Gebiet des Familienrechts nur dann optimal für meine Mandanten ausüben kann, wenn ich selbst eine Ausbildung als Mediatorin habe, weil für mich der Einsatz mediativer Kompetenzen in diesen hochkonfliktträchtigen Situationen essenziell ist. Es ist sehr wichtig vorab die Emotionen raus zu nehmen, sonst kann keine Gesprächsbasis für eine optimale Beratung entstehen. Des Weiteren habe ich die Wahrnehmung, dass Scheidungssituationen ohne Kinder viel emotionaler sind, weil sich die Emotionen ausschließlich auf die Paarebene fokussieren. Wenn Kinder vorhanden sind, nehme ich oft eine Teilung zwischen der Paar- und der Eltern-Kind-Ebene wahr.
anwaltfinden.at: Wann ist das Kindeswohl in einer Scheidung/Trennung besonders gefährdet?
Die Definition einer dem Kindeswohl entsprechenden Lösung gestaltet sich schwierig. Es ist begrüßenswert, wenn Eltern ein lebbares und dem Kindeswohl entsprechendes Kontaktrecht vereinbaren, bedauerlicherweise kann oft nicht zwischen Paar- und Elternebene unterschieden werden und kann es vorkommen, dass Kränkungen, welche die Paarebene betreffen, über Kinder ausgetragen werden, sodass die Kinder in einen Loyalitätskonflikt geraten. Es kann auch durchaus vorkommen, dass durch eingeschränkte Kontakte der Versuch unternommen wird den anderen Elternteil „zu bestrafen“. Kinder können instrumentalisiert werden und als emotionales Druckmittel verwendet werden. Dies ist als Kindeswohlgefährdung zu qualifizieren.
anwaltfinden.at: Das Kontaktrecht – was bedeutet das überhaupt?
Das Kontaktrecht ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Es bedeutet die Anbahnung und auch die Wahrung der besonderen Naheverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben. Es ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung. Es ist eine Sicherstellung für minderjährige Kinder, im Falle einer Trennung, die die Eltern-Kind-Beziehung weiterhin erhält und weiter ausgestaltet.
anwaltfinden.at: Wie wird das Kontaktrecht zu den gemeinsamen Kindern geregelt? Gibt es hier bestimmte Richtlinien, die eingehalten werden müssen?
Der Ausgestaltung des Kontaktrechtes obliegt grundsätzlich den Kindeseltern. Für den Fall, dass keine einvernehmliche und oder auch außergerichtliche Einigung definiert werden kann, ist die Anrufung des Pflegschaftsgerichtes unabdingbar.
Der Oberste Gerichtshof gibt zur Gestaltung des Kontaktes Richtlinien vor. Es gibt ein sogenanntes Regelkontaktrecht, unter Berücksichtigung des Alters der Kinder und der bisherigen Beziehung und Bindung zum Kontaktberechtigten. Der OGH gibt beispielsweise ein 14-tägiges Kontaktrecht, im Zeitraum Freitag nach der Schule bis Montag Früh vor. Nicht die quantitative Ausgestaltung des Kontaktes steht im Vordergrund, sondern die qualitative.
Bei der Definition eines Kontaktrechtes ist auch eine retrospektive Betrachtungsweise anzustellen, wie die bisherige Betreuung, wie die bisherigen Beziehung und auch Bindung des Kindes zum Kontaktberechtigten war. Durch die Änderung des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetztes 2013 geht die Rechtsprechung weg von einem „Freizeitkontaktberechtigten“ mit dem definierten Ziel den beispielsweise getrenntlebenden Vater stärker in den Alltag zu integrieren. Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass der Kontaktberechtigte unter der Woche, zumindest einen Nachmittag mit dem Kind schulische Aufgaben erarbeitet.
Dadurch wird der Freizeitcharakter bei Seite geschoben. Immer mehr etabliert sich auch das Modell der Doppelresidenz. Obwohl eine kritische Betrachtungsweise durchaus berechtigt ist, vereinbaren Kindeseltern immer mehr eine Doppelresidenz. Hierbei handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Kontaktrechtsregelung, sondern um eine Obsorgeregelung. Doppelresidenz bedeutet nicht zwingend 50:50, es kann auch bei einer Aufteilung von 35:65 von einer Doppelresidenz gesprochen werden. Voraussetzung ist eine Kooperation und Kommunikationsfähigkeit der Kindeseltern.
anwaltfinden.at: Kann ich als kontaktberechtigte Person selbst entscheiden, wie ich die Zeit mit meinem Kind gestalte?
Im Rahmen der Ausübung der Kontakte ist der Berechtigte in seiner Gestaltung frei. Gemeinsame Obsorge (Beteiligung an der Obsorge) bedeutet grundsätzlich gemeinsame Entscheidungen betreffend medizinischer Indikationen oder Religion. Wesentlich ist, dass bei Bestehen einer gemeinsamen Obsorge ohne Zustimmung des anderen Elternteiles ein Verzug ins Ausland gesetzteswidrig ist.
anwaltfinden.at: Was besagt die „Wohlverhaltensklausel“?
Die Wohlverhaltensklausel bedeutet, dass bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten, beide Elternteile alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis zu anderen Personen beeinträchtigen könnte. Das heißt, sie haben es zu unterlassen schlecht über den anderen Elternteil zu reden. Alles, was eine Eignung hätte, dass das Kind in einen Loyalitätskonflikt gerät, ist untersagt. Die Kinder sollen möglichst konfliktfrei leben können.
anwaltfinden.at: Werden Kontaktrechte nur gerichtlich geregelt oder können diese auch außergerichtlich vereinbart werden?
Ich persönlich finde es begrüßenswert, wenn Eltern aufgrund der vorliegenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit die Definition eines lebbaren und dem Kindeswohl entsprechenden Kontaktrechtes schaffen. Ziel ist immer eine außergerichtliche Regelung. Es besteht durchaus Gefahr, dass durch die Anrufung des Gerichtes Familienpsychologen Empfehlungen betreffend der Ausgestaltung des Kontaktrechtes festlegen, was keinen der Elternteile zufrieden stellt.
anwaltfinden.at: Können Kontaktrechte widerrufen bzw. geändert werden?
Das Kindeswohl ist oberste Prämisse in jedem Verfahren. Das Kontaktrecht ist natürlich nichts Statisches, da sich auch die Bedürfnisse der Kinder ändern. Ein sogenannter „Widerruf“ ist nicht möglich, aber die Kontaktzeiten, die vor einem Gericht vereinbart wurden, können sich ändern, weil sich die Umstände und Bedürfnisse der Kinder auch ändern. Hier muss situationsspezifisch reagiert werden. Dem Kind und den Elternteilen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Situation auszuloten und daraufhin die Regelungen anzupassen.
anwaltfinden.at: Haben andere Bezugspersonen auch ein Recht auf Kontakt?
Es gibt das sogenannte „Sekundäre Kontaktrecht“, in dem die Großeltern angesprochen sind. Zwischen Enkeln und ihren Großeltern soll ein persönlicher Kontakt stattfinden. Auch die Ausübung dieses Kontaktes unterliegt wieder dem Wohlverhaltensgebot. Das Großelterliche Kontaktrecht ist natürlich schwächer als jenes der Eltern.
anwaltfinden.at: Was passiert, wenn die kontaktberechtigte Person, die Kontaktzeiten zum Kind nicht einhält?
Wenn der Kontaktberechtigte die Zeiten nicht einhält, bleibt das oft sanktionslos. Wenn er über einen langen Zeitraum völlig unzuverlässig ist und der Kindesmutter nicht rechtzeitig absagt, so kann eine Kontaktrechtsreduktion oder -aussetzung bei Gericht beantragt werden. Andersherum sieht das etwas anders aus. Ich hatte mal einen Fall, bei dem die Kindesmutter zirka zehn Minuten verspätet war, weil das Kind länger geschlafen hat. Dadurch hatte der Kontaktberechtigte aufgrund des Maßnahmenskatalogs, eine sogenannte Geldstrafe vor Gericht beantragt. Nun hat der Kontaktberechtigte die Kinder dreißig Minuten zu spät zurück zur Mutter gebracht.
Im Gesetz fand ich aber keinen Abschnitt, der besagt, dass der Kontaktberechtigte bei einer verspäteten Rückgabe der Kinder ebenso mit einer Geldstrafe sanktioniert werden darf. Ich habe mich daraufhin an den Obersten Gerichtshof gewandt, weil hier, meiner Ansicht nach, eine Unverhältnismäßigkeit vorliegt. Bedauerlicherweise hat der Oberste Gerichtshof beteuert, dass über diesen Einzelfall hinaus keine erhebliche Rechtsfrage existiere. Diese Entscheidung hatte ich zu akzeptieren, aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass hier Handlungsbedarf vorherrscht.
anwaltfinden.at: Zahlt der eine Ehepartner keine Alimente, hat er dann trotzdem das Recht seine Kinder zu sehen?
Die Unterhaltszahlung ist völlig unabhängig vom Kontaktrecht zu betrachten. Wenn der Kindesvater keinen Geldunterhalt bezahlt, nimmt es nicht sein Recht zur Ausübung des Kontaktes, da dieses ein Grundrecht ist.
anwaltfinden.at: Was raten Sie den Eltern, die sich trennen/scheiden lassen wollen, wenn es um die Regelung der Kontaktrechte geht?
Mein Appell an die Eltern ist, sich dem Kindeswohl entsprechend zurückzunehmen, um hier die Beziehung nachhaltig zu gestalten und die Einigungen außergerichtlich zu definieren.
Es soll auch eine Vereinbarung erfolgen, die lebbar ist, abgestimmt auf das Alter des Kindes und berufliche Situationen beider Elternteile. Ich kann in Trennung stehenden Eltern raten, nicht in der Gegenwart des Kindes zu streiten und nicht über das Kind seinen Unmut kundzutun. Die eigenen Bedürfnisse zurück und das Kindeswohl in den Vordergrund zu stellen ist überaus wichtig.
anwaltfinden.at: Wie können nun Sie, als Anwältin für Familienrecht, bezüglich der Regelung der Kontaktrechte helfen?
In meiner Beratungstätigkeit ist für mich die Zeit für meine Mandanten besonders wichtig. Insbesondere in Ehescheidungs- und Pflegschaftssituationen ist ein intensiver Kontakt für die Klienten und die Möglichkeit, mir ein umfangreiches Bild machen zu können, essenziell. Ich möchte von Beginn an die Ausgestaltung der Beziehung von Mutter, Vater und Kind evaluieren, um beurteilen zu können, wie sie qualitativ und quantitativ erfolgt. Ich versuche primär eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden und lege oft eine Mediation nahe, sodass die Emotionen verarbeitet werden können.
Sollte bereits eine kindeswohlgefährdende Situation vorliegen, ziehe ich immer einen Sachverständigen von der Familienpsychologie hinzu. Ich möchte gemeinsam Maßnahmen definieren, um eine Beruhigung der Konfliktsituation herbeizuführen. Man muss wirklich situationsspezifisch die Persönlichkeiten und Fälle betrachten, um eine zufriedenstellende und notwendige Lösung für das Kindeswohl zu finden.
Dr. Judith Kolb – Ihre fachliche Expertin im Familienrecht
Sie stehen kurz vor einer Scheidung? Wollen Sie sich Rat bezüglich Ihrer Kontaktrechte einholen? Oder haben Sie anderwärtige familienrechtliche Belangen? Dr. Judith Kolb ist Ihre perfekte Anlaufstelle. Für sie steht das Kindeswohl an oberster Stelle und bietet eine ehrliche und umfangreiche Beratung. Kontaktieren Sie sie für Anliegen, Fragen oder eine Erstberatung. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Judith Kolb auf anwaltfinden.at.