anwaltfinden.at: Herr Mag. Tupy, können Sie uns Ihren beruflichen Werdegang kurz schildern?
Ich habe 2011 das rechtswissenschaftliche Studium an der Universität Wien beendet und 2012 das Gerichtspraktikum am Landesgericht Korneuburg sowie am Bezirksgericht Korneuburg absolviert. 2012 bis 2017 war ich Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei Dr. Schuster und Dr. Tupy. 2016 habe ich die Rechtsanwaltsprüfung mit sehr gutem Erfolg absolviert, seit 2017 bin ich als Rechtsanwalt selbstständig tätig.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Experte im Strafrecht. Welche Eigenschaften braucht ein Anwalt, der sich mit diesem Thema beschäftigt?
Neben der genauen Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem die Fähigkeit, verständlich kommunizieren zu können, das heißt dem Mandanten sagen zu können, was Sache ist. Außerdem ist auch eine gewisse praktische Erfahrung notwendig, um mit dem Mandanten eine möglichst erfolgversprechende gemeinsame Verteidigungsstrategie zu erarbeiten.
anwaltfinden.at: Was bedeutet es, Beschuldigter in einem Strafverfahren zu sein?
Der Beschuldigten-Begriff ist in der Strafprozessordnung relativ klar definiert. Er sagt aus, dass jeder Verdächtige – sobald er aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtigt wird, eine strafbare Handlung begangen zu haben und zur Aufklärung dieses konkreten Verdachts Beweise aufgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt werden – als Beschuldigter geführt wird. Beschuldigter ist also nur der Verdächtige, gegen den wegen einer konkreten Verdachtslage als Beschuldigter ermittelt wird, egal, ob das von der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht erfolgt.
anwaltfinden.at: Man liest in diesem Zusammenhang oft von Verdächtigen und Angeklagten. Worin besteht hier der Unterschied?
Der Verdächtige ist eine Vorstufe dazu. Verdächtiger ist jene Person, gegen die aufgrund eines Anfangsverdachts ermittelt wird. Aufgrund der Definition des Anfangsverdachts als Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist man in der Phase von der Ermittlung bis zur Konkretisierung des Verdachts noch kein Beschuldigter. Der Verdächtige zeichnet sich dadurch gegenüber dem Beschuldigten aus, dass erst eine vage Verdachtslage besteht, die einer weiteren Konkretisierung bedarf.
Angeklagter ist schließlich jener Beschuldigte, gegen den Anklage eingebracht wurde. Zum Angeklagten wird man also durch einen Formalakt, nämlich durch die Einbringung einer Anklageschrift oder eines Strafantrags.
anwaltfinden.at: Was kann auf Beschuldigte im Strafverfahren zukommen? Wie sieht der Ablauf von Ermittlungen und Verhandlung aus und welche Mittel können zum Einsatz kommen?
Sobald das Strafverfahren beginnt, also ab dem Zeitpunkt, an dem die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung zum Ermittlungsverfahren ermitteln, besteht akutes Schutzbedürfnis vor den Eingriffen der Strafverfolgungsbehörden. Bereits hier empfiehlt es sich deshalb dringend, einen Verteidiger beizuziehen. Das Schutzbedürfnis ist besonders hoch, wenn bereits Zwangsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Festnahme oder Untersuchungshaft, eine Hausdurchsuchung, Sicherstellung oder Beschlagnahme angeordnet oder bereits durchgeführt wurden. Ganz zentral ist die Vernehmung des Beschuldigten, bei dieser liegen zumeist bereits erste Ermittlungsergebnisse vor und der Beschuldigte kann zum ersten Mal zu diesen Vorwürfen Stellung nehmen. Gerade bei komplexen oder umfangreichen Verfahren sollte man von der Möglichkeit Gebrauch machen, hier schriftliche Stellungnahmen abzugeben.
anwaltfinden.at: Was müssen Beschuldigte sagen und wann können sie schweigen?
Der Beschuldigte ist jederzeit frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Er darf auch nicht durch Drohungen, Versprechungen oder Ähnliches zu Äußerungen genötigt oder bewogen werden. Das Schweigerecht ist grundsätzlich sehr weit zu verstehen. Es räumt dem Beschuldigten das Recht ein, selbst zu entscheiden, ob er aussagen will, und wenn ja, wie viel. Es werden nicht nur unmittelbar selbstbelastende Aussagen, sondern jede Aussage, die im Verfahren gegen einen Beschuldigten verwendet werden kann, umfasst. Ob es ratsam ist, jegliche Aussage zu verweigern, sollte aber mit dem Verteidiger erörtert werden. Nach dem OGH ist es zwar unzulässig, eine Verurteilung ausschließlich oder hauptsächlich auf das Schweigen des Angeklagten zu stützen. Das Gericht kann allerdings Schlussfolgerungen aus dem Schweigen des Angeklagten ziehen, wenn belastende Beweise nach einer Erklärung durch den Angeklagten geradezu rufen. Das kann durch das Gericht negativ bewertet werden. Man sollte schon im Vorfeld abklären, ob man wirklich nichts aussagen will, oder ob man vielleicht doch aufgrund belastender Beweise eine Erklärung abgeben sollte.
anwaltfinden.at: Wann können Beschuldigte einen Anwalt zu Rate ziehen?
Bereits vor der ersten Vernehmung durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft hat der Beschuldigte das Recht, einen Rechtsanwalt beizuziehen und sich mit ihm zu besprechen. Der Rechtsanwalt wird dann üblicherweise vorher Akteneinsicht nehmen und sich dann auf Grundlage dieser Informationen mit dem Beschuldigten besprechen.
anwaltfinden.at: Wie wichtig ist es, als Beschuldigter einen Anwalt zu haben?
Es ist enorm wichtig. Es kommen immer wieder Mandanten, die bereits eine Aussage gemacht haben. Dann ist man schon festgefahren. Es ist entscheidend, abzuklären, wie der aktuelle Aktenstand aussieht, und nur auf Basis dessen kann man eine vernünftige Verteidigungsstrategie entwickeln. Die ist natürlich einvernehmlich mit dem Mandanten zu besprechen und zu erarbeiten, aber der Mandant ist üblicherweise nicht Jurist, und er muss wissen, welche Konsequenzen verschiedene Vorgehensweisen haben. Letztendlich entscheidet der Mandant, aber mit einem Anwalt hat er zumindest dieses Hintergrundwissen.
anwaltfinden.at: Welche weiteren Rechte haben Beschuldigte während des Strafverfahrens?
Es gibt eine Vielzahl von Rechten. Besonders wichtig ist das Recht, einen Verteidiger beizuziehen und sich mit ihm zu besprechen. Auch gibt es das Recht, vom Gegenstand des gegen ihn bestehenden Verdachts sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu werden, das Recht auf Akteneinsicht, das Recht, sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen, das Recht, Aufnahme von Beweisen zu beantragen, das Recht, Rechtsmittel wie Einspruch oder Beschwerde zu erheben, das Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung oder einer Tatrekonstruktion und das Recht auf Fragestellung und Anwesenheit während einer Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten.
anwaltfinden.at: Gibt es auch Pflichten, die Beschuldigte während des Verfahrens erfüllen müssen?
Nicht viele. Zum Beispiel gibt es die Pflicht des Beschuldigten, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine Person an einer Straftat beteiligt ist, ist diese auch verpflichtet, auf eine den Umständen angemessene Weise an der Feststellung ihrer Identität mitzuwirken. Wenn man diesen Pflichten nicht nachkommt, können sie auch zwangsweise durchgesetzt werden.
anwaltfinden.at: Rechtstipp vom Anwalt: Was raten Sie Menschen, die einer Straftat beschuldigt werden?
Es ist schwierig, das allgemein zu beantworten. Aufgrund der großen Bandbreite an unterschiedlichen Szenarien kann ich nur einen allgemeingültigen Tipp geben und das ist, möglichst frühzeitig einen Verteidiger zu kontaktieren und mit ihm eine individuelle Verteidigungsstrategie zu besprechen.
anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsexperte im Strafrecht, Beschuldigten im Strafverfahren helfen?
Der Verteidiger ist allgemein als Dienstleister zu sehen, der dem Beschuldigten Beistand zu leisten hat. Ganz allgemein erfüllt er drei Funktionen: Erstens die Beratungsfunktion, zweitens die „Dolmetscherfunktion“, womit die Verständlichmachung des Verfahrensgegenstandes und der Vorgänge im Zuge des Strafverfahrens dem Beschuldigten gegenüber – der ja in der Regel kein Jurist ist – gemeint ist. Auch gibt es die Überwachungsfunktion, das bedeutet, den Beschuldigten in allen Verfahrensstadien vor Rechtsverletzungen zu beschützen und ihn auch zu vertreten. Nach einvernehmlicher Festlegung einer Verteidigungsstrategie hat der Verteidiger im Strafverfahren als Garant für die Berücksichtigung sämtlicher entlastender Tatsachen zu fungieren, Belastendes hat er nach Möglichkeit zu widerlegen oder zu entkräften, Beweislücken hat er aufzudecken, um somit den Interessen des Mandanten bestmöglich zu dienen.
Mag. Alexander Tupy – Ihr professioneller Experte im Strafrecht
In strafrechtlichen Belangen steht Ihnen Rechtsexperte Mag. Alexander Tupy stets zur Seite. In seiner Kanzlei in 1090 Wien verschafft er während eines Erstgesprächs einen Überblick über die rechtliche Situation. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Alexander Tupy auf anwaltfinden.at.