anwaltfinden.at: Herr Dr. Riess, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?
Mein Name ist Dr. Leopold Riess. Ich bin 1959 in Mödling geboren und in Ybbsitz aufgewachsen, wo ich meine Volksschulzeit verbracht habe. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Waidhofen an der Ybbs habe ich die HTL, Fachrichtung Betriebstechnik, ebenfalls in Waidhofen an der Ybbs, absolviert.
Nach meiner Matura im Jahr 1978 inskribierte ich den Abiturientenlehrgang in der Handelsakademie in Krems. Da ich während meiner Schulzeit kein Latein hatte, holte ich das Latinum in Wien nach und begann anschließend das Studium der Rechtswissenschaften.
Nach meinem Gerichtsjahr und dem Bundesherr war ich als Konzipient unter anderem in der Kanzlei Dr. Eichenseder beschäftigt, wo ich zu gut 50 % mit dem Familienrecht befasst war.
Seit 1993 bin ich selbstständiger Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Familienrecht, Immobilienrecht und Insolvenzrecht.
anwaltfinden.at: Sie verfügen über eine langjährige Erfahrung als Rechtsanwalt, worin sehen Sie die größten Herausforderungen im Ehe- bzw. Scheidungsrecht?
Meinen Zugang zum Familienrecht Neu bezeichne ich als Erwachsenen Scheidung. Das ist eine Scheidung, die einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit den Parteien erfordert, wodurch – sofern es möglich ist – eine Eskalation und Zerrüttung vermieden werden soll. Ich bin kein „Rosenkrieger“.
Ich will lösungsorientiert arbeiten, muss aber auf die Emotionen der Ehepartner eingehen. Kränkungen, Demütigungen oder Verletzungen können oftmals dazu führen, dass Lösungen erschwert werden. Mithilfe von Mediatoren, die in meinem Netzwerk arbeiten, bauen wir diese negativen Emotionen so gut wie möglich ab, um eine Erwachsenen Scheidung zu erreichen.
Manche Eltern neigen dazu, ihre Kinder als Druckmittel in den Verhandlungen einzusetzen. Etwa indem ein Elternteil versucht, die Kontaktzeiten möglichst kurz zu fassen oder den anderen an der Erziehung zu hindern und seine Rechte einzuschränken.
In manchen Fällen sind optimale Lösungen deshalb nicht durchsetzbar, weil keiner der Ehepartner den bisherigen Lebensstandard allein aufrechterhalten kann. Das ist leicht zu erklären: Es gibt ein Familienbudget und einen Haushalt, den man damit finanzieren kann. Sobald es zur Scheidung oder Trennung kommt, muss man mit demselben Budget plötzlich zwei Haushalte finanzieren. Oftmals mangelt es dann einfach an den Mitteln, um den entsprechenden Lebensstandard – zwei Wohnungen und zwei Haushalte – weiterhin zu finanzieren. Die ökonomische Komponente darf man niemals unterschätzen.
anwaltfinden.at: Welche Probleme können sich grundsätzlich ergeben, wenn man sich mitten im Hausbau befindet und eine Scheidung unausweichlich geworden ist?
Die Bandbreite ist groß.
Wenn das Haus noch nicht fertiggestellt wurde, muss man parallel einen Haushalt bestreiten und den Bau des neuen Hauses, in das man einziehen möchte, finanzieren. Im Falle einer Trennung oder Scheidung stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, das Haus fertig zu bauen. Verfügt einer der Partner über die finanziellen Mittel den Hausbau abzuschließen und wollen das auch beide?
Priorität sollte es sein, das Haus fertig zu bauen. Sonst winken enorme wirtschaftliche Nachteile.
Probleme mit dem Baumeister oder Bauträger begleiten das Ganze oft. Die Ehegatten haben einen Werkvertrag abgeschlossen, der in der Regel unkündbar ist. Kündigt man zu Unrecht oder tritt man zurück, werden Schadenersatzansprüche des Baumeisters oder des Bauträgers fällig.
Nur in wenigen Ehen ist genügend Vermögen vorhanden, um den Hausbau gänzlich aus Eigenmitteln zu finanzieren. In der Regel geschieht dies durch die Fremdfinanzierung mittels Bankkredit.
Sollte man das Haus nicht fertigstellen, muss man an einen Dritten zumeist mit entsprechenden Abschlägen verkaufen, weil diesem mitunter der ursprüngliche Plan nicht gefällt oder er den Baumeister bzw. Werkvertrag nicht übernimmt und dadurch erneut Schadenersatzforderungen entstehen.
Zusätzlich könnte, neben dem eingangs erwähnten angespannten Familienbudget, die Fälligstellung des Kredits drohen.
anwaltfinden.at: Im Falle einer Scheidung – Wie sieht die Vermögensaufteilung bei einem Haus, welches sich noch im Bau befindet, aus?
Die Vermögensaufteilung ist im Wesentlichen nicht anders als bei einem fertiggestellten Haus.
Zunächst wird der Wert der nicht fertiggestellten Liegenschaft ermittelt. Falls es zu keiner Fertigstellung kommt, weil die Mittel dazu fehlen, entstehen Schadenersatzforderungen des Baumeisters oder Bauträgers.
Zu berücksichtigen sind außerdem die Pfandrechte, Hypotheken oder Kredite, die man aufgenommen hat.
Das führt dann oft dazu, dass die Schulden höher als die Aktiva sind. So kommt es zu einer Schuldensaufteilung.
Auch bei fertiggestellten Häusern ist zu berücksichtigen, ob das Grundstück, auf dem das Haus gebaut wurde, eingebracht wurde oder das Haus teilweise mit Mitteln finanziert wurde, die man schon vor der Ehe hatte. Weitere Fragen kommen hinzu: Ist der Hausbau durch eine Schenkung oder Erbschaft von dritter Seite, die nur einem Ehegatten zugekommen ist, finanziert worden?
anwaltfinden.at: Wie sehen die Regelungen aus, wenn zuvor ein Baukredit aufgenommen wurde?
Im Regelfall wird das Haus von beiden Ehegatten errichtet. Beide unterschreiben daher den Werkvertrag, kaufen die Liegenschaft an und nehmen einen Kredit auf, der üblicherweise auf der Liegenschaft sichergestellt wird und für den beide persönlich haften.
Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens kann man Regelungen treffen, wer die Liegenschaft und wer den Kredit übernimmt. Sollte einer der Ehegatten sowohl die Liegenschaft als auch den Kredit übernehmen, kann man eine Ausfallshaftung des anderen Ehegatten festlegen. Beispielsweise bei einer Insolvenz wird die Ausfallshaftung schlagend.
Regelungen kann man immer treffen. Das Problem ist, dass die Ehepartner bisweilen die Vereinbarungen wirtschaftlich nicht allein stemmen können.
anwaltfinden.at: Sie haben bereits angesprochen, dass die Möglichkeit besteht, dass Haus trotz Scheidung fertigzustellen. Gibt es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten, mit der Liegenschaft umzugehen?
Ja, die gibt es. Wichtig ist, dass das Haus gemeinsam fertiggestellt wird, um nicht mit den Schadenersatzforderungen des Baumeisters bzw. Bauträgers konfrontiert zu werden oder bei einem Verkauf des unfertigen Hauses, keine Abschläge und Wertverluste in Kauf zu nehmen.
Sollte man das nicht schaffen, muss man mit entsprechenden Abschlägen und Schadenersatzforderungen des Baumeisters bzw. Bauträgers rechnen. Es wird in den seltensten Fällen gelingen, einen Käufer zu finden, der das Haus in unfertigem Zustand zu einem halbwegs erträglichen Preis kauft, zusätzlich den Werkvertrag des Baumeisters oder Bauträgers übernimmt und das Haus so fertigstellt, wie es die Ehegatten ursprünglich geplant haben. Bei unfertigen Häusern kommt es oft zu Planänderungen, die mit zusätzlichen Kosten einhergehen. In der Regel versuchen Käufer diese Mehrkosten im Kaufpreis unterzubringen.
Auch wenn das Ehepaar zerstritten ist, muss man im Sinne eines zukünftigen wirtschaftlichen Gedeihens mit beiden Partnern gemeinsam Schadensminimierung betreiben. Die Schulden sind letztendlich vorhanden und aus der Haftung kommt man, auch unter Anwendung des § 98 EheG – ein Ehegatte wird Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge – nicht so leicht heraus.
anwaltfinden.at: Was können Ehepaare vor Beginn eines Hausbaus unternehmen, um Komplikationen, im Falle einer Scheidung, möglichst zu verhindern bzw. was raten Sie Ehepaaren, die gemeinsam ein Haus bauen möchten?
Das ist eine weitrechende Frage.
Zunächst sollte man sich genau überlegen, wen man als Bauträger bzw. Baumeister beauftragt. Dieser sollte jedenfalls eine 1a Bonität haben und im Idealfall sogar eine Fertigstellungsgarantie abgegeben können.
Die Insolvenz des Baumeisters oder Bauträgers würde sich fatal auswirken. Sie würde dazu führen, dass man neu ausschreiben müsste, was wiederum mit Aufschlägen und einem höheren Werklohn verbunden ist. Außerdem ist die Finanzierung, die man sich ursprünglich gesichert hat, in einem solchen Fall nicht immer ausreichend.
Man sollte sich daher vor Anschaffung eines Hauses anwaltlich beraten lassen, um einen korrekten und wasserdichten Werkvertrag abzuschließen und um sicherzustellen, dass eine entsprechende Finanzierung vorhanden ist, um das Haus fertigzustellen. Der Werkvertrag sollte vor allem deshalb von einem Anwalt geprüft werden, weil man allenfalls bereits pauschale Schadenersatzforderungen vorsehen kann, die geringer sind als jene, die im Falle eines Rücktritts bei einer Nicht-Regelung geltend gemacht werden.
Diese Punkte kann man in einem Ehepakt oder einer sogenannten Vorausvereinbarung regeln. Das rate ich den Ehegatten dringlich an. Es ist hilfreich zu dokumentieren, ob Vermögen verwendet wurde, das man schon in die Ehe eingebracht hat oder das man von dritter Seite geschenkt erhalten oder geerbt hat. Somit werden bei der Aufteilung Streitpunkte ausgeschlossen.
Meiner Erfahrung nach wird im Zuge der Eheschließung zu selten daran gedacht, schon vorweg einen Ehepakt zu schließen. Eine Vorausvereinbarung kann aber auch während aufrechter Ehe geschlossen werden, insbesondere dann, wenn man ein Haus baut, um die Risken abzufedern.
Ich registriere häufig, dass viele Ehepartner erst im Zuge einer Scheidung erfassen, was die Rechte und Pflichten in einer Ehe sind. Die einfachere Lösung ist, sich noch vor der Eheschließung an einen Anwalt, der mit dem Familienrecht vertraut ist, zu wenden, um sich die Rechte und Pflichten erklären zu lassen.
Mit einem Ehepakt oder einer Vorausvereinbarung können unter anderem Unterhaltsansprüche oder Aufteilungsvorgänge geregelt werden. Der Partner oder die Partnerin kann im Vorhinein nicht gänzlich auf Unterhalt verzichten, aber auf Teile davon. Außerdem kann man festhalten, wie die Aufteilung im Rahmen einer Scheidung erfolgen soll. Die moralische Grenze ist hierbei die Sittenwidrigkeit.
anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Anwalt und Experte im Scheidungs- und Immobilienrecht, Ehepaare unterstützen, die sich während des Hausbaus scheiden lassen möchten?
Aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung verfüge ich über ein großes Netzwerk, mit Sachverständigen, die die Immobilie entsprechend bewerten können und Immobilienmaklern, die beim Verkauf der Immobilie zur Verfügung stehen, aufgebaut.
Ich unterhalte entsprechende Bankverbindungen und kann mich daher gegebenenfalls um Umschuldungen bemühen. Die Möglichkeit eines Generationenkredits ist in Österreich noch nicht allzu bekannt. Bei diesem beträgt der Rückzahlungszeitraum 60 Jahre, die Bank geht also erst gar nicht davon aus, dass der Kredit von den jetzigen Kreditnehmern zurückgezahlt wird, sondern von der nächsten Generation.
Sollte es zu Schwierigkeiten bzw. Streitigkeiten kommen, stehen mehrere Mediatoren zur Verfügung, die die Ehegatten entsprechend unterstützen können.
Außerdem führe ich auch Verhandlungen mit jener Bank, die das Haus finanziert hat. Dabei versuche ich stets, eine Stundung zu erwirken, um Zeit zu gewinnen, damit die Liegenschaft verkauft werden kann.
Natürlich unterstütze ich die Ehegatten ebenso bei jenen Verhandlungen mit dem Baumeister bzw. Bauträger, hinsichtlich des Rücktritts vom Werkvertrag, um eine Schadensminimierung herbeizuführen.
Vielen Dank, dass Sie sich für das Interview Zeit genommen haben
Gerne unterstütze ich Sie als erfahrener Anwalt im Familienrecht dabei, eine passende Lösung für Ihr individuelles Anliegen zu finden – Dr. Leopold Riess
Sie benötigen rechtlichen Beistand bei Ihrer Scheidung oder einem anderen familienrechtlichen Anliegen? Rechtsanwalt Dr. Leopold Riess steht Ihnen zuverlässig zur Seite. Kontaktieren Sie die Rechtsanwaltskanzlei und vereinbaren Sie einen Termin für ein aufschlussreiches Erstgespräch. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Leopold Riess, Experte im Familienrecht, auf anwaltfinden.at.