anwaltfinden.at: Herr Mag. Stockhammer, bitte stellen Sie sich und Ihren Werdegang kurz vor.
Ich bin seit vielen Jahren begeisterter Rechtsanwalt. Meine Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem in der umfassenden Beratung bei der Durchsetzung und Abwehr von erbrechtlichen Ansprüchen, der Planung der Vermögensnachfolge, sowie der Errichtung und laufenden Betreuung von Privatstiftungen und den dahinterstehenden Stifterfamilien.
Nach meinem Berufsverständnis ist der Rechtsanwalt nicht nur ein spezialisierter Rechtsexperte, sondern auch als umfassend beratender Partner bereit, sein Fachwissen, seine Erfahrungen und seine Persönlichkeit in vollem Umfang einzubringen, etwa bei strategischen Entscheidungen.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Experte für Erbrecht. Warum haben Sie sich für diese Spezialisierung entschieden?
Mich reizt die Vielschichtigkeit. Die Aspekte, die bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen und bei der Nachlassplanung regelmäßig zu berücksichtigen sind, sind vielfältig. Es stellen sich auch regelmäßig das Erbrecht flankierende Fragestellungen, etwa im Gesellschafts-, Immobilien-, Kunst- und Steuerrecht. Es ist wichtig stets das große Bild im Blick zu haben. Neben nachhaltigen Gestaltungsvarianten und eine vorausschauende Planung sind – vor allem bei der Nachlassplanung –auch ein hohes Maß an persönlichem Einfühlungsvermögen gefragt. All das macht das Erbrecht zu einem spannenden Tätigkeitsfeld.
anwaltfinden.at: Die Haftung des Geschenknehmers: was darf der Otto-Normal-Verbraucher darunter verstehen?
Die sogenannte „Haftung des Geschenknehmers“ kommt zur Anwendung, wenn die Verlassenschaft zur Deckung der Pflichtteilsansprüche nicht ausreicht. Mehrere Geschenknehmer haften verhältnismäßig. Sie verhaften also im Ausmaß der Schenkungen, die sie vom Erblasser erhalten haben.
Zu berücksichtigen ist, dass Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen unbefristet angerechnet werden; solche an nicht Pflichtteilsberechtige nur, wenn die Schenkung innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Tod des Verstorbenen gemacht wurde.
Wie kann es überhaupt zu einer Haftung des Geschenknehmers kommen? Bei der Bemessung des Pflichtteils wird zunächst fingiert, dass die vom Erblasser zu Lebzeiten gemachten Schenkungen nicht getätigt wurden. Sie werden dem Nachlass also fiktiv hinzugerechnet. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass Pflichtteilsberechtigte durch Schenkungen des Erblassers nicht zu Unrecht verkürzt werden sollen.
Beispiel: Der Nachlass beträgt 1.000.000 € und es gibt eine Schenkung im Wert von zusätzlichen 2.000.000 €. Insgesamt beträgt die Pflichtteilsbemessungsgrundlage also 3.000.000 €. Der Pflichtteil ist in der Regel die Hälfte, also 1.500.000,- €. Der Nachlass (1.000.000 €) reicht zur Deckung des Pflichtteiles (1.500.000 €) nicht aus. Hinsichtlich der verbleibenden 500.000,- € kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auf die Geschenknehmer zurückgegriffen wird.
anwaltfinden.at: In welchen Fällen kommt die Haftung des Geschenknehmers zum Einsatz?
Die Haftung des Geschenknehmers setzt zunächst voraus, dass die Verlassenschaft nicht zur Deckung der Pflichtteile ausreicht, der oder die Pflichtteilsberechtigte(n) somit grundsätzlich verkürzt sind. Ist der Nachlass (die Verlassenschaft) so überschuldet, dass trotz Hinzurechnung – mangels positiver Bemessungsgrundlage – ein Pflichtteilsanspruch gar nicht besteht, kommt sie nicht zum Tragen. In solchen Fällen kommt es zu keiner Haftung des Geschenknehmers.
Zu beachten ist weiters dass die Hinzu- und Anrechnung geltend gemacht werden muss. Wer dazu berechtigt ist, richtet sich unter anderem danach, ob der Beschenkte zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört. Die Einbeziehung einer Schenkung an nicht pflichtteilsberechtigte Personen kann nur ein Pflichtteilsberechtigter verlangen. Bei Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte ist der Kreis der Hinzu- und Anrechnungsberechtigten weiterzuziehen. Neben den Pflichtteilsberechtigten zählt dazu der (durch die Anrechnung entlastete) Erbe sowie jeder Vermächtnisnehmer, soweit er zur Deckung des Pflichtteils beizutragen hat.
anwaltfinden.at: Welche Voraussetzungen muss eine Schenkung erfüllen, damit der Beschenkte haftbar sein kann?
Die Schenkungen des Verstorbenen werden grundsätzlich dem Wert der Verlassenschaft hinzugerechnet.
Als Schenkung gelten neben lebzeitigen Schenkungen auch die Schenkung auf den Todesfall sowie die Ausstattung eines Kindes, ein Vorschuss auf den Pflichtteil, die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht, die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung, die Einräumung der Stellung eines Begünstigten einer Privatstiftung, soweit ihr der Verstorbene sein Vermögen gewidmet hat, sowie jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt maßgeblich.
Schenkungen, die der Verstorbene aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Gründen des Anstandes gemacht hat, sind weder hinzu- noch anzurechnen. Eine Stiftungserrichtung wäre also eine Möglichkeit, die Haftung des Geschenknehmers zu umgehen und wird in der Praxis auch so angewandt.
anwaltfinden.at: Macht es einen Unterschied, ob es sich beim Geschenknehmer um eine pflichtteilsberechtigte oder dritte Person handelt?
Pflichtteilsberechtigte Zuwendungsempfänger unterliegen nur insoweit der Haftung, als die Schenkung an sie ihren eigenen Pflichtteil übersteigt. Nicht pflichtteilsberechtigte Geschenknehmer sind generell von der Haftung ausgenommen, wenn der Verstorbene die Schenkungen an sie mehr als zwei Jahre vor seinem Tod wirklich gemacht hat. Schließlich muss ein Beschenkter den Wert seines eigenen Pflichtteils nicht herausgeben.
anwaltfinden.at: Gibt es Möglichkeiten für den Erblasser, die Anrechnung der Schenkung an das Erbe zu verhindern?
Pflichtteilsansprüche und damit auch die An- und Hinzurechnung sind als zwingende Regelungen ausgestaltet, sodass sie grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können. Richtig ist, dass ein Erbe aber auf einen Teil des Nachlasses oder auf den Pflichtteil verzichten und so eine (unbefristete) Schenkungsanrechnung unter Umständen erreicht werden kann. Der Pflichtteilsverzicht hat einen besonderen Stellenwert, da damit die verzichtende Person bei der Verteilung des Nachlasses nicht berücksichtigt werden muss und die Dispositionsbefugnis des Erblassers um den entsprechenden Nachlassteil oftmals erweitert wird.
Mitunter werden Pflichtteilsverzichte auch zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen und damit Anrechnung von Schenkungen weiterer Pflichtteilsberechtigter geschlossen: Verzichtet ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer auf seinen Pflichtteil, ist er zum Zeitpunkt des Erbanfalls nicht mehr pflichtteilsberechtigt. Dies schließt die fristenlose Anrechnung einer Schenkung grundsätzlich aus, was die weiteren Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich benachteiligt. Hier gilt es Folgendes zu beachten: Das Zivilrecht lässt Verträge zulasten Dritter nicht zu. Ein Pflichtteilsverzicht sollte daher – unter Zugrundelegung allgemein zivilrechtlicher Wertungen – zu keiner Verkürzung von (zwingenden) Pflichtteilsansprüchen führen.
anwaltfinden.at: Kann sich der Geschenknehmer gegen diese Haftung wehren?
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich der Geschenknehmer nicht dagegen wehren.
anwaltfinden.at: In Ihrer Erfahrung: welche Fallstricke kommen hier häufig vor und wie können unsere User diese vermeiden?
Wesentlich ist die rechtzeitige und umsichtige Planung der Vermögensübergabe und -nachfolge zu Lebzeiten. Dies hat große Bedeutung für den Erhalt des weiterzugebenden Vermögens und der Vermeidung von Erbrechtsstreitigkeiten. Die Aspekte, die bei der Vermögensweitergabe regelmäßig zu berücksichtigen sind – wie vor allem auch die An- und Hinzurechnungsthematik bei Schenkungen zeigt – vielfältig.
anwaltfinden.at: Wie können Sie als Rechtsanwalt bei Streitigkeiten rund um Erbe und Schenkungen behilflich sein?
In erster Linie ist es wichtig, vorausschauend zu planen. Die Pflichtteils- und Schenkungsanrechnungsproblematik sollte bei Schenkungen zu Lebzeiten stets beachtet und in die Planung miteinbezogen werden. Bei jeder größeren Vermögenstransaktion zu Lebzeiten sollte Pflichtteils- oder Schenkungsanrechnungsansprüche immer berücksichtigt werden. Mein Ziel ist es den Mandanten bei der Planung der Vermögensweitergabe umsichtig zu unterstützen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Ansonsten gilt: Falls eine solche gewissenhafte Planung nicht erfolgt ist, wird es unweigerlich zu Streitigkeiten kommen. Im Zuge von Streitigkeiten setzte ich mit Verve und Kreativität die Ansprüche meiner Mandanten durch.
Vielen Dank für das Interview!
Kompetent, zuverlässig, ehrgeizig – Ihr Rechtsanwalt im Erbrecht Mag. David Stockhammer
Mag. David Stockhammer ist Rechtsanwalt 1010 Wien und Experte für alle Belange rund um das Erbrecht. Haben Sie Fragen zu Schenkungen und Pflichtteil? Benötigen Sie rechtliche Beratung bei der Planung Ihrer Vermögensnachfolge? Oder sind Sie auf der Suche nach Unterstützung bei der Durchsetzung von erbrechtlichen Ansprüchen? Mag. David Stockhammer steht auch Ihnen gerne zur Seite und hilft Ihnen dabei, Ihr Recht durchzusetzen. Kontaktieren Sie ihn und seine Kanzlei für einen klärenden Ersttermin. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. David Stockhammer auf anwaltfinden.at.