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Strafverfolgung aufgrund von Notwehr. Ist Notwehr strafbar? Wann ist sie strafbar?

Mag. Johann Sparowitz Partner Graz

Was versteht man rechtlich betrachtet unter Notwehr und wann wird eine verteidigende Handlung als Notwehr angesehen? Was ist unter „Putativnotwehr“ und „Notwehrexzess“ zu verstehen und wie kann sich dieses auf die Beurteilung meiner Tat auswirken? All diese Fragen und mehr zum Thema Notwehr erklärt Mag. Johann Sparowitz im folgenden Interview.

anwaltfinden.at: Herr Mag. Johann Sparowitz, wären Sie so freundlich und würden Sie sich unseren Unsern vielleicht in ein paar kurzen Sätzen vorstellen?

Ja, sehr gerne. Mein Name ist Mag. Johann Sparowitz, geboren 01.05.1969. Seit 01. März 2009 bin ich als Rechtsanwalt eingetragen und als Partner in der Kanzlei Medwed & Sparowitz tätig. Meine Ausbildung begann ich in einer Kanzlei in Bruck an der Mur, also etwas außerhalb der Stadt. Mittlerweile bin ich seit über 10 Jahren in diesem Beruf tätig und gehe dem mit großer Freude nach.

 

anwaltfinden.at: Als Rechtsexperte sind Sie unter anderem im Strafrecht tätig. Was würden Sie sagen ist das Besondere im Gebiet des Strafrechts?

Das Strafrecht beziehungsweise vor allem das Strafverfahren zeichnet sich durch einen hohen Grad der Unmittelbarkeit des Verfahrens aus. Der Großteil des Verfahrens ist ein reines mündliches Verfahren und wird in der Hauptverhandlung abgehandelt. Eine gute Vorbereitung ist daher unumgänglich und maßgebend für eine gute Vertretung des Mandanten. Die Prozessordnung muss in gewisser Weise in Fleisch und Blut übergegangen, sowie stets abrufbar sein. Ich vergleiche es sehr gerne mit dem Ausüben einer Sportart. Hier müssen die Spielregeln ebenso intuitiv verstanden und beherrscht werden.

Des Weiteren werden im Bereich des Strafverfahrens weitreichende Gerichtsentscheidungen getroffen, die den weiteren Lebensweg der Mandanten nachhaltig beeinflussen können. Angelegenheiten des Strafrechts sind aus diesem Grunde besonders, da dieses sehr tief in das Leben der Mandanten eingreift und zugleich auch der Ausgang eines Strafverfahrens das weitere Leben sehr stark beeinträchtigen kann.

 

anwaltfinden.at: Was war Ihr Beweggrund sich einen Schwerpunkt im Strafrecht zu setzen?

Wie ich dazu gekommen bin erklärt sich durch meine Ausbildungszeit in Bruck an der Mur. Da ich zu dieser Zeit in einer Kanzlei mit Schwerpunkt im Verkehrsrecht tätig war – und damals so gut wie jeder Verkehrsunfall mit Personenschaden als fahrlässige Körperverletzung vor Gericht ging – bin ich bereits früh mit Strafverteidigungen in Kontakt gekommen. Nach dem Eintritt in die jetzige Kanzlei, welche eigentlich einen Schwerpunkt in Mietrecht und Wohneigentumsrecht hat, war es letztendlich meine Aufgabe sämtliche Aufträge betreffend einer Strafverteidigung zu übernehmen.

Im Zuge dessen war es mir möglich weitere Erfahrungen im Bereich des Strafrechts zu sammeln und mich bis hin zu größeren Strafrechtsfällen hinaufzuarbeiten. Darüber hinaus bereitet es mir große Freude mein taktisches, sowie mittlerweile prognostische Erfahrungen auf dem Gebiet der Strafverteidigung eines Verfahrens anzuwenden, um für meine Mandanten das beste Ergebnis zu erlangen.

 

anwaltfinden.at: Was versteht man rechtlich betrachtet unter Notwehr?

 Die Definition der Notwehr befindet sich ganz am Anfang, in § 3 des Strafgesetzbuches. Zusammengefasst ist unter Notwehr die innerhalb der Grenzen der notwendigen Verteidigung gehaltene Selbsthilfe zur Abwehr eines gegenwärtigen, rechtswidrigen – wenn gleich auch vielleicht allenfalls schuldlosen Angriffs – auf ein notwehrfähiges Rechtsgut, zu verstehen.  Rechtlich betrachtet ist Notwehr ein sogenannter Rechtfertigungsgrund.

Das bedeutet eine strafbare Handlung, die im Sinne des gerichtlichen Strafrechts verfolgt werden kann, wird mittels eines eigenen Fallprüfungsschemas überprüft. Zuerst einmal muss der Tatbestand an sich geprüft werden. Dabei wird der Sachverhalt, der sich in Wirklichkeit zugetragen hat mit dem Tatbestand, der im Gesetz steht, verglichen. Im Falle einer Körperverletzung steht beispielsweise im Gesetzbuch: „Wer einen anderen am Körper verletzt ist auf diese oder jene Art zu bestrafen.“ Als objektiver Tatbestand gilt dabei die Verletzung eines Anderen an seinem Körper durch den Täter. Als Nächstes ist zu prüfen, ob die Handlung rechtswidrig war. Wenn die Voraussetzungen von § 3 StGB erfüllt sind, dann ist das Verhalten – zum Beispiel eine Körperverletzung – nicht rechtswidrig, sondern gerechtfertigt.

Wenn jemand im Zuge eines Notwehraktes richtig gehandelt hat und dabei ein anderer zu Schaden gekommen ist, ist dieses Verhalten trotzdem nicht zu bestrafen. Nicht unbeachtet bleiben darf, dass der Notwehrtatbestand, welcher in § 3 StGB definiert ist, einen sehr vielschichtigen und komplexen Charakter aufweist. Diese Bestimmung ist nicht nur auf Körperverletzung oder Tötung bezogen, sondern auch auf Angriffe, die das Eigentum betreffen. In diesen Fällen kann ebenso eine Notwehrsituation gegeben sein und man ist daher berechtigt, sich zu Wehr zu setzen.

 

anwaltfinden.at: Wann ist meine Handlung als Notwehr gerechtfertigt?

Die notwehrfähigen Rechtsgüter sind im Gesetz abschließend geregelt. Diese notwehrfähigen Rechtsgüter sind das Leben, die Gesundheit, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, sowie die Freiheit und das Vermögen. Ein im Vergleich nicht notwehrfähiges Rechtsgut ist beispielsweise die Ehre. Wenn mich eine andere Person beschimpft, beleidigt oder mich verleumdet, gilt dies nicht als Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut und ist daher eine Abwehrhandlung, sei es durch Tätlichkeiten oder auch nur durch eine „Revanch – Beleidigung“ nicht gerechtfertigt und daher strafbar, wie der ursprüngliche „Angriff“ selbst.

 

anwaltfinden.at: Praxisbeispiel: Ich überwältige einen Einbrecher und dieser kommt dabei durch mein Handeln zu Tode. Wie sieht hier die Rechtslage aus?

 Betreffend dieses Beispiels stellt sich zunächst die Frage, ob hier ein Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut vorliegt. Da ein Einbruch oder Diebstahl ein Vermögensdelikt darstellt und das Vermögen wie zuvor besprochen als notwehrfähiges Rechtsgut zählt, kann diese Frage mit Ja beantwortet werden. Als Nächstes ist die Notwendigkeit zu prüfen. War diese Handlung notwendig, um diesen gegenwärtigen Angriff zu beenden, oder hätte es andere Möglichkeiten gegeben? Diese Notwendigkeit ist immer ex ante zu betrachten. Wie wurde der Angriff vom Opfer wahrgenommen und war es daher notwendig so zu agieren? Das Ausmaß der Verteidigung muss sich in den Grenzen des Notwendigen bewegen.

Es wird bestimmt durch die Art, die Wucht, die Intensität und die Gefährlichkeit des Angriffs. Darüber hinaus muss das Verteidigungsmittel, welches man anwendet, eine sofortige und endgültige Beendigung der Gefahr erwarten lassen dürfen. In einer Gefahrensituation, die zumeist sehr stressbeladen ist, muss ich nicht beginnen abzuwägen, welches Verteidigungsmittel ich wähle.

Zu beachten ist dennoch, dass wenn mehrere Abwehrmittel zu Verfügung stehen, das schonendste zu verwenden ist. Die Abwehrhandlung muss dementsprechend angemessen sein und im Verhältnis zum Angriff stehen. Eine Handlung ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass den Angegriffenen nur ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung des Angreifers unangemessen ist.

 

anwaltfinden.at: In welchen Fällen kann eine Handlung trotz Vorliegens einer Notwehrsituation strafrechtlich verfolgt werden?

Prinzipiell dann, wenn ein sogenannter Notwehrexzess vorliegt. Ein anderer Fall wo eine Notwehrsituation zumindest vermeintlich gegeben ist, wäre die Putativnotwehr. Das sind Fälle wo eine Handlung, trotz Vorliegens einer Notwehrsituation, strafrechtlich verfolgt werden kann. Eine tragende Rolle spielt auch die  zeitliche Komponente, nämlich  die Unmittelbarkeit des Angriffs. Nicht mehr als Notwehr gilt eine Abwehrhandlung, wenn ich zeitverzögert handle und mich erst zur Wehr setze, wenn der Angriff ansich schon vorbei ist.

Es sind daher verschiedenste Schritte zu prüfen und nachzuvollziehen. Ob eine Notwehrhandlung vorliegt, erschließt sich aus folgenden Fragestellungen: War objektiv betrachtet eine Notwehrsituation gegeben? Hat der Verteidigende das zulässige Ausmaß der Notwehr überschritten? Ist das Verteidigungsmittel angemessen gewesen?

 

anwaltfinden.at: Was versteht man unter „Notwehrexzess“ und „Putativnotwehr“?

Als Notwehrexzess wird eine Überschreitung der zulässigen Grenzen der Notwehr angesehen. Jede Notwehrhandlung, welche die Grenzen des Gesetzes einhaltet, rechtfertigt die Verletzung des Angreifers. Jede darüberhinausgehende Verletzung von Rechtsgütern wäre als sogenannter Notwehrexzess rechtswidrig.

Wenn ich beispielsweise von jemandem einen Faustschlag erhalte und dieser Täter läuft danach davon, bin ich nicht berechtigt dem Täter hinterherzuschießen. Es besteht keine unmittelbare Gefahr mehr, da der Täter den Angriff bereits beendet und die Flucht ergriffen hat. Greife ich dennoch zu einer Waffe und schieße dem Täter ins Bein, dann liegt hier ein Notwehrexzess vor.

Die Putativnotwehr ist im § 8 StGB geregelt und behandelt den Aspekt, dass man sich über das Vorliegen eines Rechtfertigungssachverhaltes geirrt hat. Ein plakatives Beispiel: Ich sehe wie eine Frau auf offener Straße gejagt und mit einer Waffe bedroht wird. Da ich ihr helfen möchte, eile ich zu Hilfe und schieße dem Verfolger ins Bein. Im Nachhinein stellt sich aber heraus, dass alles nur eine Inszenierung im Zuge einer Filmaufnahme war.

In diesem Fall ist die Nothilfe irrtümlich erfolgt, da ich irrtümlicherweise eine Notsituation angenommen habe. Infolgedessen ist die Schuldhaftigkeit der Tat auszuschließen, da nie die Intention einer Rechtsgutverletzung gegeben war. § 8 StGB sieht hierbei vor, dass Personen nicht belangt werden können, wenn man ihnen  den Irrtum gar nicht vorwerfen kann. Wenn einem aber beispielsweise die Kameraleute, das Team etc. auffallen hätte müssen, dann hat man sich fahrlässig geirrt und kann daher nicht wegen vorsätzlicher, sondern nur wegen fahrlässiger Körperverletzung belangt werden.

 

anwaltfinden.at: Was ist im Fall einer aus Notwehr gesetzten Handlung zu beachten?

Handlungen, die einen Notwehrakt inkludieren sind sehr komplex zu betrachten und die rechtliche Materie ist hier oft kompliziert. Man sollte sich vor Augen führen, dass Notwehr vor den Gerichten und den Strafverfolgungsbehörden sehr streng und restriktiv beurteilt wird. Diese Strenge resultiert daraus, dass ein Notwehrakt nur in extremen Ausnahmesituationen zulässig sein soll. Grundsätzlich ist der Rechtsstaat für das Schaffen von Recht und Ordnung verantwortlich und Rechtsbrecher sollen ihm überführt und überlassen werden.

In Notsituationen – in denen der Rechtsstaat zu spät käme – ist es jedoch erlaubt, Selbsthilfe auszuüben. Angegriffene sollen dennoch versuchen in Stresssituationen möglichst besonnen zu reagieren und wenn es die Umstände erlauben, die Flucht zu ergreifen. Im Zuge einer Notwehrhandlung soll wirklich nur das Nötigste unternommen werden und wenn der Angriff bereits abgewehrt wurde, ist es wichtig aufzuhören und keinen Gegenangriff zu starten. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wenn der Angreifer bereits am Boden liegt und ich weiterhin zuschlage oder nachtrete, dann wird dies nicht mehr als Notwehrhandlung durchgehen, da die Gefahr bereits abgewehrt wurde.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass eine Überschreitung der zulässigen Grenzen der Notwehr aufgrund von Zorn oder Wut – also ein Notwehrexzess – als vorsätzliche Körperverletzung geahndet wird.

 

anwaltfinden.at: Wie kann mir nun im Falle eines Strafverfahrens ein Rechtsanwalt in Zusammenhang mit Notwehr behilflich sein?

Sachverhalte in Zusammenhang mit Notwehr sind wie gesagt, sehr komplex und facettenreich. Im Zuge dessen ist es wichtig sich anzusehen, wie der Notwehrübende die Situation zum Tatzeitpunkt wahrgenommen wurde, bzw. objektiv wahrzunehmen und zu beurteilen war. Da das Gerichtsverfahren ein sehr Unmittelbares ist, wo praktisch alles in der Hauptverhandlung abgehandelt wird, ist ein Anwalt gezwungen vor Gericht schnell und richtig zu agieren.

Ein Rechtsanwalt muss die Situation korrekt einschätzen können und er muss genau wissen, welche Fragen er stellen muss, um für den Mandanten das beste Ergebnis zu erlangen. Nicht selten sind weitere Beweisanträge notwendig, die man zuvor beurteilen und abwägen muss. Einer der wichtigsten Aspekte ist das Abwägen, ob eine notwehrgestützte Verteidigungsstrategie tatsächlich sinnvoll und erfolgversprechend ist. Im Sinne einer profunden und fachkundigen Beratung beziehungsweise einer effektiven und zielführenden Verteidigungsstrategie ist eine Beiziehung eines Rechtsanwalts unumgänglich.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Ich vertrete Sie zuverlässig in allen Belangen rund um das Strafrecht – Mag. Johann Sparowitz 

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