anwaltfinden.at: Frau Mag. Jevtic, könnten Sie sich möglicherweise kurz unseren Usern vorstellen?
Ich bin seit November 2020 selbständige Rechtsanwältin in der Kanzlei von Herrn Mag. Dr. Hubert Niedermayr. Mit Februar 2017 bin ich als Anwärterin eingestiegen; ich arbeite daher schon ziemlich lange in seiner Kanzlei. Erbrecht war schon immer ein wichtiges Begleitthema, denn in unserer Kanzlei haben wir die wesentlichen Schwerpunkte im erbrechtlichen Bereich zu unserem Fachgebiet gemacht. Was mich möglicherweise etwas von meinen Kollegen und Kolleginnen abgrenzt, sind meine Fremdsprachenkenntnisse. Ich spreche sieben Sprachen und drei davon fließend. Dies erleichtert natürlich einiges im Umgang mit meinen Mandanten.
anwaltfinden.at: Das Thema heute ist die Anfechtung eines möglicherweise unwirksamen Testaments. Welche Gründe gibt es, dass es manchmal zu diesem Entschluss der Erben kommt?
Besonders solche Fälle haben wir in der letzten Zeit häufig in unserer Kanzlei betreut. Oft ist es so, dass ein möglicher oder potenzieller Erbe durch ein Testament benachteiligt wird. Manchmal tritt auch der Fall ein, dass kein Vertrauen mehr zu demjenigen besteht, der als Testamentserbe im Testament vorgesehen ist. In manchen Fällen ist der Erbe sogar bei einer Testamentserrichtung anwesend oder der Erblasser vergewissert ihm, dass dieser ohnehin im Testament begünstigt wird. In solchen Situationen ist der Erbe dann besonders überrascht, wenn das Testament sich nach Ableben des Testators ganz anders ergibt als ursprünglich besprochen wurde.
Hier ist es selbstverständlich meine Aufgabe, etwaige Motive mit meinen Mandanten abzuklären, um feststellen zu können, ob eine Anfechtung des Testaments sinnvoll ist.
Dass Erfolgsaussichten bereits zu Anfang eruiert werden können, ist sehr schwierig, da zunächst viele weitere Schritte zu prüfen sind, bevor der Entschluss gefasst werden kann, einer Testamentsanfechtung zuzustimmen.
anwaltfinden.at: Welche Voraussetzungen müssen bei einer Testamentsanfechtung gegeben sein, damit diese überhaupt erst gemacht werden kann?
Ein Testament kann nur dann angefochten werden, wenn ein gesetzlich relevanter Grund vorliegt. Hierbei gibt es verschiedenste Möglichkeiten, von denen die Wichtigsten im Folgenden genauer vorgestellt werden sollen.
1. Testamentsanfechtung wegen Formunwirksamkeit:
Testamente müssen bestimmte Formerfordernisse erfüllen, damit diese gültig sein können. Hat man sich nicht an die gesetzliche Form gehalten, leidet das Testament an einem Formgebrechen. Auf diese Ungültigkeit kann man sich im Zuge einer Testamentsanfechtung berufen; dies hat zur Folge, dass das Testament als ungültig erklärt wird.
Wird ein fremdhändiges Testament aufgesetzt – d.h. wird es von der Maschine (Computer) geschrieben oder vom Notar aufbereitet – ist es äußerst wichtig, dass der Erblasser das Testament nicht nur unterschreibt, sondern dieses auch mit der Textstelle: „Das ist mein wahrer letzter Wille“ händisch unterzeichnet. Errichte ich mein Testament somit als Worddokument, muss ich jenen zuvor erwähnten Passus händisch hinzufügen, damit das Testament seine notwendige Gültigkeit erlangt.
Auf dieses kleine, aber entscheidende Detail vergessen sehr viele! Hier ist es daher ratsam, zu einem Profi zu gehen, welcher Sie über die richtigen Formulierungen gewissenhaft aufklärt.
Zitat: „Neben der Unterschrift ist auch das Datum unbedingt notwendig! Vergessen Sie also nicht, Tag, Monat sowie Jahr in Ihrem Testament leserlich zu vermerken.“
2. Testamentsanfechtung wegen Fälschung:
Weiters muss nicht sicher sein, ob ein Testament vom Verstorbenen überhaupt persönlich stammt. Auch was Testamentsfälschungen betrifft, haben wir in unserer Kanzlei jedes Jahr mehrere Fälle. Es kommt immer öfters vor, dass Erben sagen, die Unterschrift stammt nicht vom Verstorbenen. Ist das der Fall, wird vom Gericht bzw. vom Gerichtskommissär, welcher die Verlassenschaft verwaltet, ein eigener Sachverständiger für das Schriftwesen bestellt – meist ein Grafologe – der die Aufgabe hat, zu überprüfen, ob die Unterschrift auch tatsächlich vom Verstorbenen stammt. Dabei werden meistens frühere Unterschriften mit der Testamentsunterschrift verglichen. Ist die Unterschrift nicht vom Erblasser, verliert auch hier das Testament an Gültigkeit.
3. Testamentsanfechtung wegen Unwürdigkeit:
Eine weitere Möglichkeit der Testamentsanfechtung ist, wenn der Erbe für unwürdig gehalten wird. Eine Erbunwürdigkeit wird dann erreicht, wenn er zumindest eine schwere Verfehlung gegen den Erblasser begangen hat, er diesen arglistig täuschen wollte oder eine gerichtliche Verurteilung gegen ihn im Raum steht. Auch die arglistige Täuschung ist ein Grund, um ein Testament anfechten zu können. Wird beispielsweise der Erblasser absichtlich über Tatsachen getäuscht, kann dieser irrtümlich unrichtige Angaben im Testament machen und bedenkt jemanden, den er ohne jene falschen Tatsachen nicht bedacht hätte.
4. Testamentsanfechtung wegen Beeinflussung oder Drohung:
Immer häufiger passiert, dass die möglichen Erben sich auf die Argumentation stützen, der Verstorbene wäre beizeiten der Testamentserrichtung unter Druck gesetzt worden. Sei es nun die Beeinflussung des Erblassers in eine bestimmte Richtung oder eine tatsächliche Drohung: Kann eine gewisse Drucksituation im Nachhinein durch Zeugen oder dergleichen nachgewiesen werden, wird das Testament ungültig.
5. Testamentsanfechtung wegen Testierunfähigkeit:
Ein gültiges Testament setzt selbstverständlich die Testierfähigkeit des Erblassers voraus. Behauptet man, der Erblasser sei während der Testamentserstellung geistig nicht in der Lage gewesen, dieses aufzusetzen, muss man das natürlich auch nachweisen können. Gelingt dieser Beweis nicht, bleibt das Testament aufrecht. Auch hier sind oftmals Zeugen von großer Bedeutung, die bestätigen können, ob der Erblasser überhaupt geistig fähig war. Medizinische Unterlagen des Verstorbenen, die zeigen, was vor seinem Ableben passiert ist, können sehr hilfreich sein. Möglicherweise gibt es neurologische Befunde, Notizen über Krankenaufenthalte, Indizien für eine anfängliche Demenz oder sogar Diagnosen zu schweren geistigen Erkrankungen.
anwaltfinden.at: Kann ich ein Testament auch aufgrund inhaltlicher Fehler anfechten?
Ja, auch das ist möglich! Das kann man vor allem dann machen, wenn es unklar ist, was der Erblasser tatsächlich möchte. Oft schreiben Menschen in einem Satz und mit emotionalem Hintergrund alle Gedanken auf. Häufig resultieren daraus unverständliche und vor allem auch widersprüchliche Sätze, mit denen die Erben später Schwierigkeiten haben, diese richtig zu deuten. Besonders dann, wenn in einem Textabschnitt gleich mehrere Personen bedacht werden, die sich wiederum nicht oder eben doch nicht als Erben herausgeben, kann das Testament durch diesen Widerspruch bzw. durch inhaltliche Fehler angefochten werden.
anwaltfinden.at: Wer kann ein Testament anfechten & gibt es hierzu gewisse Fristen, die eingehalten werden müssen?
Grundsätzlich kann jeder das Testament anfechten, der einen größeren Erbanspruch oder einen Pflichtteilsanspruch hat. Ganz kurz zur Erklärung: Der Erbanspruch hat man, wenn man ohne Testament etwas erben will. Beispielsweise verfügt der Verstorbene in seinem Testament, dass der Großteil seine Frau, nun die Witwe, bekommen soll. In diesem Fall können die Kinder anfechten, welche nicht bedacht worden sind. Denn den Kindern stehen die Mindesteile bzw. die sogenannten Pflichtteilsanteile zu.
Außerdem besteht eine 3-Jahres-Frist ab dem Zeitpunkt, wo man von dem bestehenden Testament erfährt. Hier ist es jedoch wichtig, einen Rechtsprofi zu konsultieren, damit keine Fristen versäumt werden.
anwaltfinden.at: Welche Anfechtungsmöglichkeiten gibt es nun und wie kann solch ein Problem gelöst werden, damit es zu keinen weiteren Erbstreitigkeiten kommt?
Gerät man in so eine Situation, ist es meiner Meinung nach besonders wichtig, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens aufzusuchen, damit einem die rechtliche Situation und auch jegliche Möglichkeiten erörtert werden. Einigen kann man sich mit der Gegenseite bzw. mit den potenziellen anderen Erben immer! Für eine Einigung im Sinne eines Vergleichs bestehen mehrere Möglichkeiten – ob nun gerichtlich verglichen oder nicht. Hiermit kann eben vermieden werden, dass es erst gar nicht zu Erbstreitigkeiten kommt. Aus diesem Grund wird zuerst in einer Verlassenschaftsabhandlung versucht, eine Einigung mit den Betroffenen zu finden, sobald die Todesfallaufnahme geschieht und der Notar alle potenziellen Erben lädt. Bereits hier können streitige Situationen vermieden werden!
anwaltfinden.at: Wie können nun Sie, als Rechtsexpertin im Erbrecht, bei einer Testamentsanfechtung behilflich sein?
In unserer Kanzlei berufen wir uns hierfür immer auf ein praktisches Schema, nachdem wir vorgehen. Als Erstes schaue ich mir immer die testamentarische Verfügung an. Sprich, ich prüfe das Testament und kläre Verwandtschaftsverhältnisse, wer mit wem verwandt ist. Das ist zunächst das Wichtigste, um einen Überblick über die Verlassenschaft zu bekommen und um die Verwandtschaftsverhältnisse zum Verstorbenen nachvollziehen zu können.
Im nächsten Schritt werde ich mich mit meinen Mandanten intensiv und ausführlich besprechen, um sie über ihre Rechte aufzuklären, aber auch um ihnen aufzuzeigen, was alles möglich ist. Aufgrund unserer langen Erfahrung in den Erbrechtsgebieten sowie in Erbfällen, können wir doch ganz gut beurteilen, ob eine Anfechtung sinnvoll ist oder nicht.
Zu guter Letzt muss geklärt werden, ob eine Rechtsschutzversicherung existiert. Dies ist oft entscheidend für eine Prozessführung, da natürlicherweise Kosten auf einen zukommen. Hat man in seiner Versicherung den Baustein Erbrechtsschutz, werden die anfallenden Kosten meistens gedeckt. Ist das nicht der Fall, werden alle kostentechnischen Aspekte mit uns besprochen, wie etwa: Was kommt auf mich zu? Mit welchen Kosten kann ich rechnen? Was passiert, wenn ich verliere? etc.
Erst, wenn der Mandant richtig informiert ist, kann er die Entscheidung treffen, ob er anfechten will oder nicht und wie sinnvoll dieses Unterfangen ist.
Zweifel am Testament? Rechtsanwältin Mag. Tatjana Jevtic klärt Sie über Anfechtungsmöglichkeiten auf!
Will man ein Testament anfechten, muss dies gut überlegt sein, da hierzu stets ein gesetzlich relevanter Grund vorliegen muss. In solch einer Situation ist es daher besonders wichtig, einen Erbrechtsprofi zurate zu ziehen, der Sie über komplexe Erbrechtsregelungen aufklärt. Sie haben Fragen zu einem Testament oder eventuell ein persönliches Anliegen? Gerne berät Sie Rechtsanwältin und Erbrechtsexpertin Mag. Tatjana Jevtic in Ihrer individuellen Angelegenheit! Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Tatjana Jevtic auf anwaltfinden.at.