anwaltfinden.at: Frau Dr. Fidler-Faßmann, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?
Ich habe in Wien Jus studiert und anschließend in einer großen Wirtschaftskanzlei im öffentlichen Recht gearbeitet. Nach der Kernzeit habe ich das Gerichtsjahr und die Anwaltsprüfung absolviert. Die Großkanzlei war mir aber zu spezialisiert, weshalb ich in eine Allgemeinpraxis gewechselt habe. Dort erfuhr ich das volle Spektrum einer Wald- und Wiesenkanzlei. Nachdem ich lange genug gearbeitet hatte, ließ ich mich eintragen und bin seit 2016 selbstständige Rechtsanwältin.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Expertin im Familienrecht. Was hat Sie dazu bewogen, sich näher mit diesem Thema zu beschäftigen?
Das hat sich mit der Zeit entwickelt. In der Allgemeinpraxis habe ich gemerkt, welche Bereiche es gibt und auch in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Als ich mich dann selbstständig gemacht habe, war die Nachfrage im Familienrecht überdurchschnittlich hoch. Ich arbeite gerne im Familienrecht, da ich es spannend finde, dass es sich dabei nicht um reines, trockenes Recht handelt, sondern die Arbeit mit Emotion verbunden ist. Das ist spannend, genauso wie die Frage, wo man die beiden wieder trennen sollte.
anwaltfinden.at: Bei Unterhalt denkt man meist an Minderjährige. Wie lange müssen Eltern Ihren Kindern aber tatsächlich Unterhalt zahlen?
Grundsätzlich gibt es keine starre Grenze, wie etwa das 18. Lebensjahr oder das Ende der Familienbeihilfe. Stattdessen geht es um die Selbsterhaltungsfähigkeit, die eintritt, wenn ein Kind in der Lage ist, nach einer absolvierten Berufsausbildung für sein eigenes Einkommen zu sorgen. Das Einkommen des Kindes muss dafür ungefähr 1.000 Euro betragen. Wenn man dem Kind vorwerfen kann, dass es diesen Status aus eigener Schuld nicht erlangt hat, dann kann die Unterhaltspflicht auch davor enden.
anwaltfinden.at: Besteht während des Studiums eine Unterhaltspflicht der Eltern an ihre Kinder? Müssen Eltern das Studium finanzieren?
Grundsätzlich schon. Da das Studium eine Berufsausbildung darstellt, müssen Eltern es finanzieren, wenn es zuvor keine andere Berufsausbildung gab. Vor allem, wenn das Kind die Matura absolviert hat, spricht viel dafür, dass es das Studium mit dem Unterhalt der Eltern machen kann. Insbesondere, wenn die Eltern selbst ein Studium absolviert haben, kann man gut begründen, dass das Kind das auch darf.
anwaltfinden.at: Gibt es bestimmte Richtlinien, die Studenten dafür erfüllen müssen?
Das wesentliche Kriterium ist das zielstrebige Studieren. Auch muss das Studium in die bisherige Schullaufbahn passen. Wenn sich ein Kind schon durch die Schule gequält hat, vielleicht sitzen geblieben ist oder mit Ach und Krach die Matura geschafft hat, dann kann die Argumentation für ein Studium schwieriger sein. Erfahrungsgemäß sind Gerichte zugunsten der Kinder jedoch eher großzügig. Wenn sie merken, dass das Kind es ernsthaft mit dem Studium probieren will und Fleiß und Sitzfleisch entdeckt hat, bekommt es diese Chance und die Unterhaltspflicht bleibt bestehen.
anwaltfinden.at: Gibt es andererseits Umstände, in denen Eltern keinen Unterhalt an Studenten zahlen müssen?
Es kommt immer auf den Einzelfall an. Klassische Fälle, in denen ein Student den Unterhaltsanspruch verliert, sind ein mehrmaliger Wechsel der Studienrichtung oder ein zu langsamer Studienfortschritt. Wenn man das aber begründen kann, kann das Ergebnis auch ein anderes sein.
anwaltfinden.at: Hat es Auswirkungen auf den Unterhalt, wenn Eltern nur ein kleines Einkommen haben?
Die Eltern müssen dadurch nicht verarmen, sondern der Unterhaltsanspruch würde sich ein wenig reduzieren. Die Argumentation, dass die Eltern zu wenig Einkommen haben und das Kind deshalb nicht studieren darf, wird es nicht geben. Dass die Eltern hingegen den Gürtel enger schnallen müssen, um dem Kind ein besseres Fortkommen zu ermöglichen, wird ein Gericht schon bestimmen.
anwaltfinden.at: Wie hoch ist der Unterhalt in der Regel?
Das hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere davon, ob das Kind zu Hause bzw. im Haushalt eines Elternteils lebt und ob bzw. in welcher Höhe ein Eigeneinkommen besteht. Je nachdem gibt es unterschiedliche Berechnungsmethoden – entweder orientiert am Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils oder am Bedarf (der sich wiederum nach dem Ausgleichszulagen-Richtsatz richtet).
anwaltfinden.at: Viele Studenten erkennen irgendwann, dass Sie das falsche Studium gewählt haben. Gibt es noch Unterhaltsanspruch, wenn jemand das Studium wechselt?
Einen einmaligen Wechsel gesteht die Rechtsprechung zu. Es kommt aber auch darauf an, ob ein Student nach den ersten Lehrveranstaltungen wechselt oder vor der allerletzten Prüfung. Letzteres könnte schon ein Problem sein.
anwaltfinden.at: Gibt es Unterhaltsanspruch, wenn jemand bereits eine Ausbildung gemacht und eventuell schon gearbeitet hat, sich dann aber für ein Studium entscheidet?
Ja, Unterhaltsanspruch kann wiederaufleben, wenn man bereits im Beruf war und sich dann für ein Studium entscheidet. Warum man nun eine zweite Ausbildung beginnen möchte, muss man aber gut argumentieren. Man muss darlegen, dass man besonders begabt ist für diesen neuen Berufszweig, und dass es wirklich ein ernsthaftes Interesse gibt, zielstrebig zu studieren. Auch muss man argumentieren, dass man durch diese zweite Berufsausbildung später vielleicht eine bessere berufliche Situation und einen krisensicheren Job bekommt. Es geht hier auch darum, dass man mit der neuen Ausbildung mehr verdienen kann als mit der bestehenden.
anwaltfinden.at: Bleibt der Anspruch bestehen, wenn Studenten nach dem Studium nicht sofort einen Job finden? Wann endet der Unterhaltsanspruch endgültig?
Hier gilt die Selbsterhaltungsfähigkeit. Wenn das Kind einen Job gefunden und ein entsprechendes Einkommen hat, ist es selbsterhaltungsfähig und die Unterhaltspflicht endet. Nach dem Studium geht die Rechtsprechung von einer Jobfindungsphase von sechs Monaten aus, während der die Unterhaltspflicht aufrecht bleibt. Nach den sechs Monaten stellt sich die Frage, ob es dem Kind vorwerfbar ist, dass es keinen Job findet. Hat es in den sechs Monaten vielleicht nur zwei Bewerbungen geschrieben, würde man sagen, dass es zwar nicht faktisch, aber fiktiv selbsterhaltungsfähig ist, da es mit mehr Bemühung einen Job gefunden hätte. Wenn das Kind 100 Bewerbungen geschickt und sich bemüht hat, aber in den sechs Monaten aufgrund der derzeitigen Situation keinen Job gefunden hat, ist es ihm nicht vorwerfbar, dass es nicht selbsterhaltungsfähig ist. Dann bleibt der Unterhaltsanspruch länger aufrecht.
anwaltfinden.at: Rechtstipp vom Anwalt: Was raten Sie den Usern zu diesem Thema?
Erfahrungsgemäß ist es oft so, dass Eltern sich mit der Frage, wann die Unterhaltspflicht endet, dann beschäftigen, wenn es wenig Kommunikation zwischen Eltern und Kind gibt und die Eltern nicht wissen, wie ihr Kind im Studium vorankommt. Sprechen Sie also zunächst über den Fortschritt und darüber, warum die Studienentwicklung wie verläuft. Erfahrungsgemäß zahlen Eltern nach einem klärenden Gespräch eher weiter, als wenn Funkstille herrscht.
anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsexpertin im Familienrecht, bei Fragen zum Unterhalt während des Studiums behilflich sein?
Ich kann bei der Berechnung sowie bei der gerichtlichen Festsetzung des Unterhalts helfen. Ebenso bei Erhöhungs- oder Herabsetzungsansprüchen, etwa, wenn das Kind ein Eigeneinkommen hat oder ein Elternteil weniger verdient. Bei Studenten ist oft die Enthebung ein Thema – wann der Zeitpunkt erreicht ist, an dem der Unterhaltsanspruch endet, ist die zentrale Frage.
Dr. Christine Fidler-Faßmann – Ihre fachliche Expertin im Familienrecht
Ob Sie Fragen zum Unterhalt oder einem anderen familienrechtlichen Thema haben – Rechtsexpertin Dr. Christine Fidler-Faßmann beantwortet sie gerne. Kompetent informiert sie in ihrer Kanzlei in 1230 Wien im Rahmen eines Erstgesprächs außerdem in scheidungs-, erb- und sonstigen zivilrechtlichen Belangen. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Christine Fidler-Faßmann auf anwaltfinden.at.