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Wie verhalte ich mich bei einer Festnahme?

Rechtsstatue

 

Eine Festnahme ist eine Ausnahmesituation, in der der Adrenalinpegel schon einmal durch die Decke schießen kann. Es stellt sich die Frage: Wie handeln, um die Situation nicht weiter zu verschärfen? Zunächst einmal Ruhe bewahren, rät Strafrechtsexperte Dr. Adolph Platzgummer. Im Interview erklärt der Anwalt außerdem, welche Rechte Festgenommene haben, wann man vom Schweigerecht Gebrauch machen sollte und welche wichtige Rolle ein Verteidiger bei einer Festnahme spielt.

anwaltfinden.at: Herr Dr. Platzgummer, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?

Ich bin 1966 in Innsbruck geboren, bin hier in die Volksschule und danach acht Jahre ins Gymnasium gegangen. Ich habe auch an der Universität Innsbruck studiert, ein Doktoratsstudium im Strafrecht absolviert und auch die Diplomarbeit im Strafrecht geschrieben. Danach bin ich in die Rechtsanwaltsausbildung gegangen; es dauert fünf Jahre, bis man eingetragen sein kann. Einen Teil davon habe ich in Innsbruck verbracht, eineinhalb Jahre war ich in Wien, weil ich auch in der Großstadt Erfahrungen sammeln wollte. Da war ich nicht nur im Strafrechtsbereich, sondern auch im Zivilbereich tätig, ich habe aber regelmäßig auch Strafsachen gemacht. Seit 1999 bin ich als Rechtsanwalt in Innsbruck niedergelassen und in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Seit 1999 bin ich auch im Bereich des Strafrechts tätig, kann also mehr als 20 Jahre Erfahrung vorweisen. Da kommt einem schon einiges unter.

 

anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Strafverteidiger. Mit welchen Themen setzen Sie sich tagtäglich auseinander?

Meine Tätigkeit rührt oft von Fehlverhalten oder unklugem Verhalten von Beschuldigten her. Diese werden von der Polizei angerufen, aufgegriffen oder zu einer Aussage verleitet und plaudern dann vor sich hin, ohne den Akteninhalt zu kennen oder einen Anwalt anzurufen. Die Leute wissen nicht, dass man beispielsweise nicht mit Polizisten smalltalken sollte, da diese auf der Lauer liegen und Beute machen wollen. Meistens suchen die Polizisten Schuldige und achten nicht im gleichen Ausmaß wie ein Strafverteidiger auf die entlastenden Momente, sondern es wird versucht, zu überführen und aufzuklären. Das bedeutet für den, der ins Visier gerät, dass er schon in einer Gefahrensituation ist und das womöglich gar nicht merkt. Wenn eine Aussage einmal verschriftlicht wurde, ist sie bis zum Obersten Gerichtshof kaum mehr wegzubekommen. Meistens muss man am Anfang also versuchen, die Fehler zu korrigieren oder gering zu halten.

Ein Beispiel, das klassisch ist für den kleinen Suchtmittelbereich, der durch weite Bevölkerungsschichten häufig anzutreffen ist: Ein Dealer fliegt auf, man findet am Handy eine Liste von Kontakten. Die Polizei ruft die Kontakte einzeln an, weil sie verdächtigt werden, Konsumenten oder Abnehmer zu sein. Ihnen wird von der Polizei gesagt, dass sie zur Aussage kommen müssen. Dann beginnt das Dilemma, weil die wenigsten sich trauen, die Frage zu stellen, in welcher Funktion sie dort sind, oder nicht wissen, dass sie diese Frage stellen müssen. Wenn sie mich anrufen, muss ich sie fragen, in welcher Situation sie zur Polizei kommen sollen, als Beschuldigter oder als Zeuge. Der Zeuge steht unter Wahrheitspflicht, er kann ins Gefängnis kommen, wenn er falsch aussagt. Der Beschuldigte darf auch ungestraft die Unwahrheit sagen, er muss gar nichts sagen. Die meisten machen nicht vom Schweigerecht Gebrauch, lassen sich erschrecken, erzählen irgendwas und belasten Gott und die Welt. Mit dem Schweigerecht und einem Anwalt kann man diese Fehler vermeiden.

 

anwaltfinden.at: Bei Strafverfahren kann es zu Festnahmen kommen. Was versteht man darunter und wie laufen sie ab?

Eine Festnahme ist unabdingbar mit den Grundrechten verbunden, vor allem mit dem Grundrecht auf persönliche Freiheit. Das darf vom Staat nicht eingeschränkt werden, außer es kommt zu einer Situation, in der aufgrund von Gesetzen ganz bestimmte Umstände oder Voraussetzungen dafür vorliegen. Festnahme ist wie festhalten, das In-Gewahrsam-Nehmen durch Staatsorgane, meistens die Polizei. Diese kann jemanden 24 Stunden lang festhalten.

Es gibt für eine Festnahme gewisse Voraussetzungen, zu diesen zählt etwa die Begehung auf frischer Tat. Eine solche kommt zustande, wenn jemand beispielsweise bei einem Bankraub beobachtet wird. Auch kann jemand festgenommen werden, wenn er bei einer Demonstration oder einem Verdacht gegen ihn seinen Namen partout nicht nennen will.

Man kann auch aufgrund eines Haftbefehls festgenommen werden, wenn ein dringender Tatverdacht und Haftgründe bestehen. Den Haftbefehl beantragt der Staatsanwalt beim Haft- und Rechtschutzrichter, es gibt dann eine Anordnung der Festnahme, die Polizei sucht denjenigen und schnappt ihn sich. Dem Festgenommenen wird dann das Schreiben gezeigt, auf dem die Begründung steht, warum er beschuldigt wird.

Wenn es schlecht läuft – was leider nicht allzu selten vorkommt – landen die Festgenommenen in U-Haft. Zuerst sind sie bei der Polizei, dann müssen sie innerhalb von 48 Stunden in die Justizanstalt eingeliefert werden. Hier hat der Haft- und Rechtschutzrichter noch einmal eine Frist von 48 Stunden, dann muss die U-Haft verhängt oder der Festgenommene freigelassen werden. In all diesen Situationen wäre es sehr ratsam, einen Anwalt beizuziehen. Dafür gibt es auch einen Verteidigernotruf.

 

anwaltfinden.at: Worum handelt es sich beim Verteidigernotruf?

Diese Nummer bekommen Festgenommene von der Polizei, die Nummer ist 0800 376 386. Den Notruf gibt es zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch ich bin Bereitschaftsanwalt. Jeder Anwalt in dieser Liste hat eine Woche Bereitschaftsdienst, das wird also sehr ernst genommen. Die erste telefonische Beratung ist dort kostenlos. Man kann dort sogar anrufen, wenn man um 3 Uhr morgens aus dem Nichts heraus verhaftet wird.

Man wird dann angerufen, dass der Herr XY festgenommen wurde und einen Anwalt dabeihaben möchte. Wenn unter 18-jährige Jugendliche festgenommen werden, muss ein Anwalt dabei sein, darauf kann nicht wirksam verzichtet werden.

 

anwaltfinden.at: Wie sollte man sich verhalten, wenn man festgenommen wird? Muss man mit der Polizei reden?

Ganz wichtig: Ruhe bewahren. Cool bleiben, sich passiv verhalten, sich nicht wehren. Auch wenn man unschuldig ist, führt es immer zu Problemen und oft zu Strafverfahren, wenn man sich wehrt. Also zuhören und einen Anwalt anrufen. Wenn man keinen kennt, kontaktiert man den Verteidigernotruf, ein Anwalt kommt dann innerhalb von drei Stunden. In der Zwischenzeit keine Aussage machen, auch keinen Smalltalk. Es gibt immer den netten Polizisten und den bösen, der nette plaudert dann ein bisschen, dabei haben sich schon viele um Kopf und Kragen geredet. Diesen Rat wird jeder Strafverteidiger so geben. 

Man sollte hier also auf sich selbst achten und nicht auf das Befinden der Polizei, also keine Aussage liefern, die man später womöglich widerrufen muss. Dann steht man schon von vornherein als Lügner da. Der Anwalt schaut sich den Akt an, bespricht ihn dann mit dem Mandanten unter vier Augen, dann wird eine maßgeschneiderte Strategie entwickelt und entschieden, ob man eine Aussage macht und was man sagt.

Das ist der Profizugang und gleichzeitig etwas, was in der Praxis wenig umgesetzt wird, weil die Festgenommenen nervös und gestresst sind oder schnell nach Hause wollen und weil sie glauben, dass sie nicht in U-Haft kommen, wenn sie alles sagen. Die Polizei tritt oft militärisch mit Kasernenton auf und behandelt die Leute auch dementsprechend, diese fühlen sich dann klein und sagen Dinge, die sie nicht sagen sollten.

 

anwaltfinden.at: Welche Rechte hat man, wenn man festgenommen wird?

Das sind relativ viele. Grundsätzlich bekommt man von der Polizei ein Informationsblatt für Festgenommene, auf dem sehr viele Informationen auf Juristendeutsch stehen – nicht jeder ist Akademiker und lesefreudig. Aber immerhin wird man darin darüber aufgeklärt, welche Rechte man hat. Wenn man in die Justizanstalt kommt, gibt es wiederum ein eigenes Informationsblatt.

Die wichtigsten Rechte sind, dass man einen Anwalt beiziehen kann und den erwähnten Rechtsanwaltlichen Journaldienst benutzen kann. Man kann anschließend jemanden verständigen – den Lebensgefährten, Mama, Papa, Bruder, Schwester, etc. –, der Grund der Verhaftung muss bekanntgegeben werden, es gilt das Schweigerecht, von dem man Gebrauch machen sollte, bis der Anwalt da ist. Es gibt das Recht auf Akteneinsicht, das ist die Aufgabe des Anwalts. Wenn Rechtsverletzungen vermutet werden, hat man auch das Recht, Einspruch wegen Rechtsverletzungen subjektiven Rechts zu machen. Es gibt noch viele weitere Rechte, die Kardinalsachen sind die Akteneinsicht und das Schweigerecht.

 

anwaltfinden.at: Was geschieht nach der Festnahme?

Meistens wird man zur nächsten Polizeidienststelle gebracht, wo die Polizisten gleich eine förmliche Vernehmung durchführen wollen. Dann sollte man sagen: „Ich mache keine Aussage, ich mache vom Schweigerecht Gebrauch, ich möchte mit meinem Anwalt sprechen.“ Das kann man auch unterzeichnen. Früher war das oft schwierig, weil die Polizei gerne aufklären will und die Erfolgsquote höher ist, je eher die Leute etwas von sich geben. Nachdem man unterschrieben hat, muss man freigelassen werden, oder man wird in die Justizanstalt gebracht. In diesem Fall entscheidet der Haft- und Rechtschutzrichter über Antrag der Staatsanwaltschaft, ob U-Haft verhängt wird oder nicht. Das ist nur in drei Fällen möglich: Bei Fluchtgefahr, bei Verdunkelungsgefahr – diese besteht, wenn es die Möglichkeit gibt, dass zum Beispiel Räuber ihre Komplizen warnen oder Beweismittel vernichten und ist auf zwei Monate befristet – und bei Tatbegehungsgefahr – etwa, wenn jemand wegen gefährlicher Drohung festgenommen wird und die Gefahr besteht, dass er diese wahrmacht.

 

anwaltfinden.at: Brauche ich bei der Festnahme einen Verteidiger?

Zwingend nicht, aber aus meiner Sicht braucht man ihn schon. Der Verteidiger kann dem Festgenommenen nicht die Handschellen abnehmen, aber er kann kanalisieren, sich um die Sache kümmern und wahnsinnig viel Druck vom Beschuldigten wegnehmen. Dann konzentriert sich nämlich alles auf den Verteidiger und den Sachverhalt, der vorgeworfen wird. Ein Verteidiger ist also kein Muss, aber faktisch ein massives Soll. Hier auf ein paar 100 Euro zu achten ist der größte Blödsinn, den man machen kann. Wenn jemand festgenommen wird, geht es meistens nicht um eine „Pimperlsache“, sondern es stehen Straftaten mit über einem halben Jahr Freiheitsstrafdrohung im Raum.

 

anwaltfinden.at: Wann ist eine Festnahme nicht erlaubt?

Es gibt Grundrechte, die Abwehrrechte gegen den Staat darstellen, diese kommen im weitesten Sinne aus der Französischen Revolution. Diese Rechte hat man, um sich gegen den Staat zu wehren. Persönliche Freiheit ist ein sehr starkes Recht. Um das einzuschränken, braucht es einen gesetzlichen Grund, man kann nicht einfach jemanden festnehmen, weil er eine rote Hose anhat. Um jemanden festzunehmen, muss ich ihn zum Beispiel beim Begehen einer Straftat beobachtet, auf frischer Tat betreten haben oder unmittelbar danach, beziehungsweise muss er glaubwürdig beschuldigt sein. Das findet sich zum Nachlesen im Paragrafen 170 der StPO. Jemand kann auch verhaftet werden, wenn er auf der Flucht ist oder versucht hat, Sachverständige, Zeugen oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen und so den Sachverhalt zu verfälschen.

 

anwaltfinden.at: Rechtstipp vom Anwalt: Kurz zusammengefasst – Was raten Sie Menschen, die festgenommen werden?

Sofort den Anwalt des Vertrauens anrufen, wenn dieser nicht greifbar ist, den Verteidigernotruf wählen, denn dort arbeiten Profianwälte, die sich im Strafrecht auskennen. Keine Aussage machen, bevor der Anwalt da war und dem Rat des Anwalts dann folgen. Außer die Lage ist ganz eindeutig, aber es ist selten etwas ganz eindeutig.

 

anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsexperte und Verteidiger im Strafrecht, festgenommenen Personen helfen?

Indem ich aufpasse, dass diese Festnahme nicht zu einer Verurteilung und zu einer jahrelangen Strafhaft führt. Ich stelle fest, was konkret vorgeworfen ist und wie die Beweislage aussieht, suche nach entlastenden Beweisen und bringe diese dann auch professionell im Verfahren ein, was recht kompliziert sein kann. Ich bringe mich aktiv im Strafverfahren ein und verteidige notfalls frei.

Es gilt zwar der Grundsatz „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – aber die Praxis spricht andere Bände. Das würde zwar jeder abstreiten, in der Praxis hat jemand aber schnell die Wahrheit für sich gefunden. Der Richter muss von der Schuld überzeugt sein, wann das der Fall ist, ist bei jedem unterschiedlich. Ich komme aus der naturwissenschaftlichen Schule, bei mir wäre das sehr selten und spät der Fall, deshalb könnte ich auch nicht Richter sein. Aber es gibt Richter, die haben überhaupt keine Zweifel, obwohl Zweifel angebracht sind. Deshalb sollte man schnell den Verteidiger beiziehen, nichts sagen und möglichst frühzeitig eine Verteidigungsstrategie entwickeln.

 

Dr. Adolph Platzgummer – Ihr kompetenter Experte im Strafrecht

Mit seiner jahrelangen Erfahrung im Strafrecht steht Ihnen Strafverteidiger Dr. Adolph Platzgummer in allen Strafsachen beiseite. In seiner Kanzlei in 6020 Innsbruck nimmt er sich Ihrem individuellen Fall an – stets mit dem Ziel, eine effiziente Lösung zu finden. Kontaktdaten und weitere Informationen finden Sie auf dem Profil von Dr. Adolph Platzgummer auf anwaltfinden.at.

 

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