anwaltfinden.at: Herr Mag. Tiefenbacher, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?
Ich bin seit 2014 als Rechtsanwalt in Korneuburg tätig. Davor habe ich die erforderlichen Stationen bis zum Rechtsanwalt durchlaufen, sprich, das Jus Studium, die Ausbildungszeit als Rechtsanwaltswärter und die Anwaltsprüfung.
Durch meine Schulzeit hatte ich bereits einen betriebswirtschaftlichen Background und im Zuge meiner Ausbildung kam ich sehr früh mit dem Insolvenzrecht in Berührung. Für das Insolvenzrecht konnte ich mich vor allem deshalb begeistern, weil neben juristischen Themen auch stets das Ziel der wirtschaftlich bestmöglichen Abwicklung verfolgt wird.
Nach dem Studium und bevor ich die Anwaltsausbildung begonnen habe, war ich noch zwei Jahre in Neuseeland.
anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Experte im Insolvenzrecht – Worin sehen Sie die größten Herausforderungen dieses Berufes?
Sobald jemand insolvenzrechtliche Berührungspunkte bzw. Probleme hat, sind diese meistens sehr vielschichtig. Wenn ein Unternehmer Liquiditätsprobleme hat oder seine Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann, ist dies oftmals auch eine psychische Belastung, die auch die Familie und das persönliche Umfeld beeinträchtigt. Solche Existenzängste beeinflussen natürlich auch die Entscheidungen der jeweiligen Person in ihrer Rolle als Unternehmer.
In der Beratung ist dann immer wieder zu sehen, dass sich das gesamtheitlich auf mehreren Ebenen abspielt und man verschiedene Ansätze wählen muss, da ein rein rechtlicher Zugang zumeist keine zufriedenstellende Lösung mit sich bringt.
anwaltfinden.at: Außerdem werden Sie seit einigen Jahren regelmäßig als Masseverwalter bestellt – Welche Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach diesbezüglich besonders wichtig?
Die Bestellung als Masseverwalter erfolgt meist sehr kurzfristig. Man wird direkt vom Gericht bestellt und trägt, sofern es sich um eine Unternehmensinsolvenz handelt, vom ersten Tag an die volle Verantwortung für alles, was in dem Unternehmen passiert.
Aus diesem Grund ist es wichtig, sich rasch alle wesentlichen Informationen zu beschaffen, um diesbezüglich die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Entscheidungsfreude und auch die Bereitschaft kalkuliertes Risiko einzugehen sind gerade in der frühen Phase, in der zu entscheiden ist, ob das Unternehmen fortgeführt wird, besonders wichtig.
Diejenige Person, die vom Insolvenzverfahren betroffen ist, also der Schuldner, ist hierbei der erste Ansprechpartner und gerade zu Beginn oft die einzige Informationsquelle. Es ist daher die Fähigkeit gefragt rasch eine gute Arbeitsbeziehung bzw. Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Für mich ist es auch entscheidend, dass der Masseverwalter mit dem Schuldner gemeinsam realistische Ziele definiert, um diesem eine Perspektive geben zu können. Das kann eine Sanierung aber auch eine geordnete Abwicklung mit dem Ziel eines bestmöglichen Verkaufs und damit einer Reduktion der persönlichen Haftung sein.
anwaltfinden.at: Wann wird ein Masseverwalter vom Konkursgericht bestellt und gibt es bestimmte Anforderungen, die ein solcher erfüllen muss?
Bei einer Unternehmensinsolvenz ist die Bestellung eines Masseverwalters verpflichtend, sobald das Insolvenzverfahren, entweder ein Konkursverfahren oder ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung, eröffnet wird. In diesem Fall ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingend ein Insolvenzverwalter, ein Masseverwalter oder ein Sanierungsverwalter – da gibt es unterschiedliche Bezeichnungen – vom Gericht zu bestellen.
Daneben gibt es noch Insolvenzverfahren, die mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet werden können.
Die Anforderungen in der Insolvenzordnung sind eher allgemein gehalten. Der Masseverwalter sollte Erfahrung in der Betriebswirtschaft, im Wirtschaftsrecht bzw. im Steuerrecht und in der Insolvenzabwicklung haben.
Ein weiteres Kriterium ist in der Praxis, dass die Kanzlei des Masserverwalters (in der Regel handelt es sich bei Masseverwaltern um Rechtsanwälte, vereinzelt auch um Wirtschaftsprüfer) über eine entsprechende Struktur verfügt, um den Anforderungen und der Größe des Insolvenzverfahrens bzw. des betroffenen Unternehmens gewachsen zu sein.
anwaltfinden.at: Neben dem Masseverwalter gibt es ebenso den Sanierungsverwalter – welcher Unterschied besteht zwischen Masseverwaltern und Sanierungsverwaltern?
Der Überbegriff, der alle Verfahrensarten abdeckt, ist das Insolvenzverfahren bzw. der Insolvenzverwalter/die Insolvenzverwalterin. Danach ist im Einzelnen zwischen Konkursverfahren bzw Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung zu unterscheiden.
Wenn die Zielrichtung (Fortführung oder Schließung des Unternehmens) von vornherein nicht klar ist, wird meistens ein Konkursverfahren eröffnet. Sollte eine Sanierung des Unternehmens absehbar sein, wird ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung eingeleitet.
Nur im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (ein solches kommt in Österreich eher selten vor) wird der Insolvenzverwalter als Sanierungsverwalter bezeichnet. Bei dieser Verfahrensart darf das betroffene Unternehmen sein Vermögen weiterhin selbst verwalten. Dieses wird vom Insolvenzverwalter, der in dieser Konstellation eben Sanierungsverwalter heißt, nur überprüft und überwacht. Bei bestimmten wesentlichen Entscheidungen muss der Sanierungsverwalter trotzdem vorab gefragt werden.
Der Grund, warum das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung in Österreich nicht sehr häufig in Anspruch genommen wird, besteht darin, dass der Gesetzgeber diesbezüglich eine Mindestquote von 30 % vorgesehen hat. Bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beträgt die Quote hingegen 20 %. Daher ist die Zahl der Insolvenzverfahren, die als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet werden, seit der Schaffung dieser Möglichkeit im Jahr 2010 überschaubar geblieben.
Wenn nicht schon bei der Insolvenzeröffnung eine Sanierung angestrebt wird oder das Insolvenzverfahren über Gläubigerantrag eröffnet wird, wird das Insolvenzverfahren als Konkursverfahren eröffnet. In diesem Fall und wenn der Schuldner selbst „nur“ ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt, wird der Insolvenzverwalter als Masseverwalter bezeichnet.
anwaltfinden.at: Welche Aufgaben übernimmt ein Masseverwalter grundsätzlich bzw. welche Pflichten hat dieser?
Mit der Insolvenzeröffnung – diese wird in der Ediktsdatei veröffentlicht und ist somit für jedermann einsehbar – übernimmt der Insolvenzverwalter die Leitung des Unternehmens. Der Schuldner darf ohne Genehmigung des Masseverwalters keine Handlungen betreffend seines Vermögens mehr setzen. Nur mehr der Masseverwalter darf Verträge abschließen, Vermögen veräußern, Bestellungen für ein laufendes Unternehmen tätigen, Entscheidungen bezüglich Arbeits- und Dienstverträge treffen und Zahlungen für den Schuldner annehmen oder tätigen. Mit der Insolvenzeröffnung übernimmt der Masseverwalter die Unternehmensleitung bzw. die Geschäftsführung mit dem Großteil der damit verbundenen Rechten und Pflichten.
Neben dieser unternehmerischen Tätigkeit nimmt der Masseverwalter ebenso die Gläubigerinteressen im Auftrag des Gerichts wahr. Der Masseverwalter muss das vorhandene Vermögen sichten und sichern und die Geschäftsgebarungen der letzten Zeit prüfen. Er hat die Insolvenzursachen zu erforschen, die angemeldeten Forderungen der Gläubiger zu prüfen, anfechtbare Zahlungen vor Insolvenzeröffnung zurückzufordern und die Vermögenswerte des Unternehmens bestmöglich zu verwerten. Im Falle der Sanierung hat der Masseverwalter zu prüfen, ob eine solche möglich ist und die den Gläubigern angebotene Quote angemessen ist.
anwaltfinden.at: Eine Unternehmensfortführung ist bzw. ist nicht möglich – wie sieht die weitere Vorgehensweise jeweils aus und welche Aufgaben übernimmt hierbei der Masseverwalter?
Der Insolvenzverwalter muss zu Beginn und fortlaufend prüfen, ob das Unternehmen noch kostendeckend geführt werden kann. Sollte das Unternehmen, trotz Restrukturierungsmaßnahmen, nicht mehr kostendeckend weitergeführt werden können, ist es zu schließen. Wenn feststeht, dass das Unternehmen geschlossen wird, erfolgt die Liquidation der Vermögenswerte, das heißt, die bestmögliche und rasche Verwertung sämtlicher Vermögenswerte des Unternehmens.
anwaltfinden.at: Sie haben vorhin die Wahrung der Gläubigerinteressen angesprochen, inwiefern spielt in diesem Zusammenhang das Strafrecht eine Rolle?
Sollte der Masseverwalter bei der Überprüfung der Geschäftsgebarung feststellen, dass vor Insolvenzeröffnung strafrechtlich relevante Vorgänge stattgefunden haben, etwa weil Vermögen verschleudert wurde, einzelne Gläubiger womöglich begünstigt wurden oder der Insolvenzantrag zu spät gestellt wurde, kann das weitreichende Folgen nach sich ziehen und im Strafrecht enden. Derartige Verfehlungen – sogenannte Kridadelikte – sind vom Insolvenzgericht bzw. vom Masseverwalter der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen.
anwaltfinden.at: Tipps vom Rechtsanwalt: Was raten Sie Personen, die sich mit einem Insolvenzverfahren konfrontiert sehen?
Wichtig ist es, sich umfassend zu informieren. Oftmals hört sich eine rasche Lösung besonders gut an. Unter Umständen kann diese aber aus Sicht des Insolvenzrechtes nachteilige Folgen nach sich ziehen.
Grundsätzlich sollte man sich, wenn ein Insolvenzverfahren vor der Tür steht, zunächst überlegen, was das konkrete Ziel ist. Ist es möglich, gewollt und leistbar das Unternehmen mit einer Sanierung zu retten? Letztendlich muss auch bei einer Sanierung binnen zwei Jahren eine Quote von 20 % erwirtschaftet werden. Das ist ab einer gewissen Größenordnung an Verbindlichkeiten, auch bei einem größeren Unternehmen, eine beträchtliche Summe, die aufzubringen ist. Hinzu kommen die Verfahrenskosten, die Gerichtsgebühren, die Entlohnung der Gläubigerschutzverbände und die Kosten des Masseverwalters, die zu berücksichtigen sind.
Mir ist bewusst, dass sobald die wirtschaftlichen Probleme überwiegen, Unternehmer oftmals nicht die Zeit und Ressourcen haben, sich beraten zu lassen bzw. sich Unterstützung zu suchen. Dies wäre aber überaus wichtig, damit die noch vorhandenen finanziellen Mittel, die zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon sehr knapp sind, richtig eingesetzt werden können und die Möglichkeiten realistisch eingeschätzt werden können. Ansonsten besteht die Gefahr – und das sehe ich auch immer wieder – dass in dieser Situation noch etwas versucht wird bzw. Zahlungen geleistet werden, die eine Insolvenzeröffnung auch nicht mehr abwenden können. Mitunter wäre es in solchen Fällen sinnvoller gewesen, an eine Sanierung des gesamten Unternehmens zu denken und nicht einzelne Gläubiger, die am stärksten andrängen bzw. momentan am wichtigsten erscheinen, noch zu bezahlen, denn so fehlt für eine Sanierung dann unter Umständen dringend erforderliches Kapital.
anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Experte im Insolvenzrecht – neben Ihrer Aufgabe als Masseverwalter – Mandanten bei einem Insolvenzverfahren unterstützen?
Ich versuche immer so früh wie möglich anzusetzen. Es gibt durchaus Fälle, in denen ein Insolvenzverfahren nicht notwendig ist und mit den Gläubigern auf dem Verhandlungsweg eine außergerichtliche Sanierung zustande kommen kann. Mit dem neuen Restrukturierungsverfahren gibt es eine zusätzliche Variante, bei der wir allerdings noch abwarten müssen, wie diese Möglichkeit in der Praxis angenommen wird.
Ansonsten besteht die klassische Tätigkeit eines Insolvenzexperten darin, Mandanten bei der Vorbereitung eines Sanierungsverfahrens zu unterstützen und zu prüfen, welche Unterlagen und Informationen benötigt werden und welche Restrukturierungsschritte bestenfalls schon vor dem Sanierungsverfahren eingeleitet werden. So kommt ein Unternehmen möglichst schnell und effizient durch das Sanierungsverfahren und erhält am Ende auch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zustimmung der Gläubigermehrheit und die Genehmigung des Gerichts.
Weiters kommt es manchmal dazu, dass der Masseverwalter, zum Beispiel aufgrund der Nicht-Gleichbehandlung einzelner Gläubiger Anfechtungsansprüche gegenüber Gläubigern, (Banken, Lieferanten, Familienangehörige) geltend macht. Hier unterstütze ich meine Mandanten bei der Abwehr dieser Ansprüche und gelingt es auch hier oft außergerichtlich eine Lösung mit dem Masseverwalter zu finden.
Daneben sind Unternehmer gut beraten, sich für den Fall der Insolvenz eines Geschäftspartners abzusichern. Hier gibt es zum einen Pfandrechte, die in einem Insolvenzverfahren bevorzugt behandelt werden. Es gibt aber auch Vertragsgestaltungsmöglichkeiten, um sich abzusichern, dem Geschäftspartner gleichzeitig aber ausreichend wirtschaftlichen Freiraum zu belassen. Dies ist ein vertragsrechtliches Thema, das es in der Insolvenzrechtspraxis ebenso abzudecken gilt, wie die Vermeidung von Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer.
Herzlichen Dank für das Interview!
Ich bemühe mich stets, die bestmögliche Lösung für Ihr individuelles Anliegen zu erarbeiten – Mag. Stefan Tiefenbacher
Als erfahrener Rechtsanwalt und Experte im Insolvenzrecht steht Ihnen Mag. Stefan Tiefenbacher in Ihren jeweiligen Angelegenheiten zuverlässig zur Seite und freut sich darauf, Sie in seiner Kanzlei in Korneuburg willkommen zu heißen. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Stefan Tiefenbacher auf anwaltfinden.at.